Lydia Mischkulnig über das schwarz-blaue Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich als "eine verhängnisvolle Affäre außerirdisch anmutender Machtsphäre".
Die mafiöse, türkise Partei hat es geschafft, dass sich die Österreich-Satire erübrigt und ein neues literarisches Genre, nämlich die „erzählende Faktenlage“, als Roman entsteht. Nachdem Literatur die groteske Wirklichkeit der Polit-Korruptis nicht einzuholen vermag, könnte sie sich auf ihr Kerngeschäft der Imagination zurückziehen. Oder soll sie Ziele des Aufmerksamkeitsmanagements optimieren und tagespolitischgerecht schrill in Erscheinung treten? Jedenfalls sei vor Identifikation mit realen Gegebenheiten und Personen gewarnt! Man sollte nie das Wissen außer Acht lassen nicht
Schlimmer als an der Grenze! So beurteilt der junge Wächter die Lage beim Eintritt, den Pass, Impfnachweis und PCR-Code prüfend. Der Aufzug für den 17. Stock schnellt direkt in den Vorhof zum Himmel. Die Gänge, pulsierend rot, werden lichter, bis ich im Zimmer meines berühmten Freundes bin. Er hebt die Hand, wir küssen die Luft, Maske ab, Blick fällt hinunter. Die Stadt hebt sich reliefartig vom Boden ab. Der Bahnhof sehr plastisch im Licht. Die Weltlage besprechen wir nicht, stattdessen schauen wir uns den Orden des Freundes an. Der goldene Taler mit Dallinger-Profil, zu Ehren
Die Sehnsucht nach der Versöhnung des Menschen mit Technik und Natur gebiert die Mysterien, die auf dem Boden seiner Hybris wachsen, meint Lydia Mischkulnig.
Franz Zoglauer, der Kulturmensch, der Autor, der Kunstvermittler, der auch Federspiele schuf, ist tot. Kolumnistin Lydia Mischkulnig kannte Franz Zoglauer in Großaufnahme.
Lydia Mischkulnig über Sensitivity Reading und Identitätspolitik im Literaturbetrieb - anlässlich des Streits um die Übersetzung des Gedichts von Amanda Gorman.
Die Krawatte ist ein Schmuck und typisches Requisit männlicher Garderobe. Die Schürze ist zumeist auch ein Schutz gegen den Dreck der Arbeit und typisches Requisit der dienenden Frau. Beide Kleidungsstücke stiften Identität, zeigen Zugehörigkeit. Die Schürze bedeckt korrekt den Schoß. Die Krawatte liegt über der Knopfleiste eines Hemdes und weist mit der Spitze wie ein Pfeil in den Schritt. Die Krawattenschürze ist eine Synthese, ein Souvenir aus dem Frauenmuseum in Meran. Kitsch oder Kunst? Ein Stück Stoff voll des Ressentiments. Ich hänge sie mir um. Sie ist leicht, aber
Wieder einmal eine Kolumne über eigene Kinder gelesen. Oder war es ein Posting? Ist das Sujet nicht inflationär? Auf die Kontinuität kommt es an. Gut, wenn gerade ein Kind auf die Welt kommt, oder Zwillinge, oder noch mehr, dann spannt sich ein roter Faden durch die seriellen Texte, von der Wiege bis zur Bahre. Als Leser werde ich Zeuge eines Lebens. Nabelschnüre verknoten sich, Bande sich auflösender Bindungen. Das Kind macht Bäuerchen, es sorgt auch für Komik, die mich an seine Privatheit knüpft. Die Liebeserklärung an das eigene Fleisch und Blut schlägt dabei durch, sucht meinen
Die sommerlichen Gefühle erwachen. Man darf raus und rein ins Lokal. Noch fühlt sich die Gemeinschaft seltsam an, so als hätten Papa und Mama einen Ausgang erlaubt. Die Schanigärten füllen sich wieder und das Fahrrad rollt repariert an den Tischen vorbei. Der normale Weg ist beschritten, befahren, überflogen. Die Vögel waren immer schon frei. Dort und da wird gegraben, wie früher auch. Der Belag unter der Gumpendorferstraße wird aufgestemmt und nie gesehene Schienen liegen frei. Die Treffen in den Parks unter freiem Himmel waren ganz nett, als die Begegnung von Kleingruppen nur dort
Elefanten im Porzellanladen haben einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Scherben der künstlerischen Errungenschaft. Niemals wieder wird die Tasse an die Lippen geführt werden wie bisher. Die Gläser werden nicht mehr klingen, und die Kelche werden gar nicht erst gereicht,sie werden gleich stehen gelassen sein. Die kulturelle Veränderung ist so einschneidend wie einst die Verpönung von Zigaretten, die der Hochleistung von Schauspielern wie Romy Schneider und Humphrey Bogart den Anstrich von Beiläufigkeit gaben. Der einhüllende Rauch ist heute aus gesundheitspolitischen Gründen
Ein Haus auf dem Lande, eine Almhütte im Gebirge, ein Leuchtturm am Meer, gern wird Einsamkeit zum Schreiben empfohlen. Für mein Schreiben bedeutet es den Tod. Mit hilft das Verlassen der eigenen vier Wände. Ich muss den Zustand des Schreibens im Alleinsein unter Leuten erreichen. Literatur in Zeiten von Corona entsteht bei mir also nicht. Was tun gegen die Ödnis der Arbeitslosigkeit? Literatur im Netz allüberall. Sogar gegenüber in der Gasse haben die Leute Gedichte auf Leintücher gemalt. Sie hängen sie aus dem Fenster. Andere Nachbarn besitzen ein Megafon und sie üben bereits für
Ich bin die beste Lösung für Kaffee. Die Tabs mit Identifikationspotential lagen im Regal. Daneben das Sortiment tragbarer CD-Player. Es gab zwei Marken. Die Verkäufer versteckten sich und einer war beschäftigt, der Kunde auf sich gestellt, Entscheidungen zu treffen. Ich zögerte. Wenn du auf Qualität und Nachhaltigkeit setzt, kauf dir ein anderes Gerät. Seit wann duzt mich ein Verkäufer? Die vorwürfliche Haltung ärgerte mich. Ich war mit meinem Gewissen nicht auf Augenhöhe. Das Leben ist ein Verkaufsgespräch, auch zwischen den psychischen Instanzen. Ich dachte an die armen Kinder
Heute 2020. Ostern naht.Kein Stress mit dem Putz!Die Fische ziehen ihre Bahnen. Der Kasten mit den Kleidern, aus denen die Kinder herausgewachsen sind, wird aufgeräumt und geleert. Die alten Hefte gehören sortiert, Notizen, Zeichnungen und Aufsätze behalten. Bücher landen im Regal und Fotos in einer Schachtel. Plakate, von den Wänden gelöst, liegen gefaltet in der Lade. Das Zimmer wird zum Esszimmer umfunktioniert. Die elektronischen Fotos sind in der Cloud. Auf welcher Art Flohmarkt werden die Daten feilgeboten sein? Diese Erinnerungsstücke sind eines Tages zum digitalen Tand erklärt
Die Waage hatte ich seit Jahren nicht benutzt. Sie wartete darauf, abgestaubt zu werden. Was es wiegt, das hat es. In der Küche lagen noch Spezialitäten herum. Ibizaspeck auf der schwarzen Platte, ein Stück Scholle aus edlem Schiefer. Wer hatte die Guccitasche vergessen? Der Barolo war leer, der grüne Tee zog noch in der Kanne nach. Ich schleuderte die Prada-Patschen in den Müll, kontrollierte meine Erscheinung im Spiegel. Auferstanden aus der TV-Couch sah mir die Erschöpfung entgegen. Der Sommer war heiß gewesen. Ob meine Diät daran schuld war? Ich freute mich über die Grünen, die
Die Sonne war unbarmherzig, die Haut braun, von der Hitze gebacken. Ein Lüftchen lockte auf die Gasse. Passanten trugen leichte Kleidung. Echte Oligarchinnen liefen in hochhackigen Sandalen herum. Zahlreiche Menschen zeigten Tattoos und immer mehr. Sie trampelten durch die Gebäudeschatten. Wasserstaub machte die teure Gasse zur Oase. Da erschien ein Typ, ein Mann der Werte. Der Passant kam mit kniekurzen Hosen daher und bloßgelegten Waden. Nackte Männerwaden im Stadtkern können etwas Betrübliches haben. Sie zeugen von verlorener Eleganz. Prall wie Ballone behaart oder glatt. Sie wurden
Er blieb zum Frühstück. Was er essen wolle? Er fing mit der Ablehnung eines Eis an, obwohl sie das Huhn persönlich gekannt hatte. Sie hatte noch Schinken, Schokolade vom Geburtstag, Butter? Nein. Die Waschmaschine drehte im Schleudergang. Sie war schuld daran, dass Kunststofffasern abrieben und Mikroplastik ins Grundwasser kam. Man hätte gleich Kreditkarten frühstücken können. Die Natur war nicht mehr zu verdauen. Die Politik ebenso. Sie gewöhnte uns an Schreckensbilder vom grausamen Sterben. Europa trainierte das Ertrinkenlassen. 200 Millionen afrikanische Menschen drängten zu 300
Die Brunnenfiguren übergaben sich unablässig. Das Plätschern des Wasserstrahls verwandelte den Garten in das Deck eines Dampfers. Die Markise war ausgefahren, die Kugellichter gingen an, ein entstehender Roman stand zur Debatte. Stichworte wurden aufgeschrieben: Geschlecht verwandeln, Zaun streichen, Fluchtgründe beseitigen, keine Avocado in den Salat schneiden. Dann wurde das Manuskript zugeschlagen und sein Umschlag war Türkis. Jede Bewegung braucht ihre corporate identity, um die Masse zu einer Welle zu formen. Die ÖVP setzte auf eine Farbe sphärischer Reinheit und bat neuerdings um
Es gibt Sekunden im Leben, in denen sich alles für immer verändert. Ich habe sie bisher überlebt. Die Zeit innezuhalten ist nun gekommen. Wie mache ich weiter? Zu Hause miaut die Katze. Noch nie hat sie die Wohnung verlassen. Fressen und nicht gefressen werden, ist die über sie verhängte Devise. Da kommt der Bus. Ich habe keine Münzen für den Fahrschein dabei. Die Tür geht auf und ich springe von der Hitze in den gekühlten Innenraum, pralle gegen Passagiere. Zwei Bettler meiner Gasse. Sie haben struppige Haare, viel zu warme schäbige Westen an, kaum Zähne im Mund und schmutzige
Der Titel des Stückes lautet „Offene Zweierbeziehung“. Im Schlosstheater auf dem Lande wird es frei nach Dario Fo interpretiert. Der Mann hatte Sinn für Commedia dell’Arte. Hier aber bekommt das Stück einen Drall. Es klingt wie das Programm einer Kulturpolitik. Auf der Bühne stehen die Heimat und das Kreuz. Das Kreuz verbeugt sich und sagt: Dildo ergo sum. Ein Staunen geht durch das Publikum. Stille. Auch der Chor schaut sich betreten um. Das Kreuz kapiert und beginnt von vorne. Es verbeugt sich noch einmal und sagt: Divido ergo sum. Der Patzer spricht sich auch im Kirchenlatein um.
Der einzige unbefleckte Mensch ist die Muttergottes, die ohne Erbsünde auf die Welt kam, um die Insemination durch das Ohr zu empfangen. Eine Taube kratzt das nicht, selbst wenn sie bei Notre-Dame genistet hat. Sie wäre längst am Rive Gauche und blickte durch die Fensterscheibe. Die Flecken auf dem Tisch dahinter stammten vom Bordeaux, Confit de Canard, Sauternes und Mousse au Chocolat. Die Brösel aber zögen die Aufmerksamkeit des Vogels an. Das Tischtuch würde zusammengeknüllt und aus dem Fenster gehängt, damit die Brösel auf die Gasse fallen. Die Taube stürzte sich auf die Brösel.
In den Raunächten sprechen die Tiere. In der Nacht des Blutmondes sprechen die toten Tiere. Noch zieren Lamas die Plakatwand des Marktstandes. Das Bier sättigt. Gin hält wach. Man treibt sich durch die Gassen, um munter zu bleiben. Langsam knattern die Rollläden hintereinander wie eine Salve zur Sperrstunde. Der Schal wird enger gezogen, die Schafwolle in der Mütze juckt auf der Stirn. Die Schuhe, die Tasche, die Handschuhe sind aus echtem Lamm. Café und noch ein Café. Gin. Das Salz in der Luft kommt vom Meer. Ertrunkene melden sich nicht zu Wort. Sie sind Futter und Fische geworden.
Als der Lieferwagen abrupt neben der Kreuzung hält und ein leicht bekleideter Jugendlicher herausspringt, mit den Händen den Laternenmast erwischt, den Schwung abfedert und das Schloss mit der Geldbüchse am leeren Zeitungssack aus Plastik abmontiert, schneit es. Du gehst die Auslagen entlang und bist etwa gleich schnell bei der nächsten Kreuzung angelangt, wo der Lieferwagen schon wieder mit hohem Tempo um die Ecke rast und der Jugendliche vor deiner Nase aus dem Laderaum des Lieferwagens hetzt, um den nächsten Zeitungsständer abzumontieren. Du selber hältst inne vor dem Zebrastreifen.
Ich sitze in der Ambulanz. Von der Geburt bis zum Tod reicht die Spanne der Ewigkeitspause. Meine Sinne lassen mich die Jahre als Sammlung erleben, die ich übers Altern vervollständige. Das Ende aller Zeiten möchte ich sehen, nur dazu werden die Sinne fehlen. Oder muss ich die Körperlichkeit verlassen, um das Projekt Zeitlosigkeit anzugehen? Buchstaben sind Platzhalter für Gedachtes, das sich von mir ablöst und zu einem Stück Wirklichkeit wird. In Form dieses Textes, den man hier als Reservoir spüren kann. Ein Container enthält im Gegensatz Müll. Trotzdem ergibt der Inhalt Sinn und
Ein totes Schaf liegt am Strand. Zwanzig Geier scharen sich drum. Sie brauchen eine Nacht, um den Aas-Braten zu verdauen und weiterfliegen zu können. Geht das mit Drohnen besser? Die Kadaver wegzuräumen, um Seuchen zu vermeiden? Klimakatastrophen werden noch einige Schlachtplatten anrichten. Daher die Frage, ob eine artificial intelligence das Verwesende in eine schickere Energie umwandeln kann als die Geier. Maschinen, die uns verdauen, um abzuheben. Wohin denn? In den Überbau einer ausgerotteten menschlichen Intelligenz? So artifiziell das klingen mag, die Job-Offensiven bieten
Die Polygamie ist ein Hund. Leider ist er treu. Er folgt vornehmlich Männern bei Fuß und auch verlassenen Ehefrauen, die sich plötzlich verstoßen fühlen. Sie begrüßen die Vielehe, um wenigstens im Betreuungsverhältnis zu bleiben. Das ist eine Frage des Grundeinkommens, wenn es nicht bedingungslos von der Gesellschaft zuerkannt ist. Da steigen mir die Grausbirnen auf. Erstens, dass die Treue gebrochen wird, die soziale, die emotionale und die sexuelle, aber genauso die Treue zur Selbstwürde. Wann wirft man sein Gelöbnis, die Treue zu halten über Bord? Welche Treue was oder wem
Ican see im schönen Monat Mai ein Kind. Es ist vielleicht zwei. Im kurzen Haar ein Band mit rosa Masche. So wird das Mädchen gezeichnet. Die Eltern stehen dahinter. Mama Kopftuch. Papa Bart. Das Kind löst sich taumelnden Gangs, heftet den Blick auf den Straßenmusiker. Weltversunken steht es ihm gegenüber, der Körper gespannt wie eine Saite. Die Augen verschlingen die gleitenden, zupfenden Finger auf der Gitarre des Sängers. Passanten finden das Mädchen entzückend. Dieses Entzücken wird vom Kind ignoriert. Ihm geschieht gerade ein Wunder, denn es entdeckt den Zauber in seiner Welt,
Die Plätze, die Brücken, die Kanäle, der Bahnhof und nun fort aus Venezia. Der Zug fährt über das Delta des Tagliamento. Die Berge beginnen hinter Udine und die Wälder werden blickdichter. Zwischendurch glitzert ein See und ein höher liegendes Schneefeld. In der Einschicht steht ein Haus abseits des Weihers, an dem der Zug langsamer vorbeigeleitet. Das Haus ist rot und hat keine Fenster. Dafür aneinandergereihte schwarze Quadrate in allen Stockwerken. Vorhangspitzen drapieren den illusionierten Einblick. Um das Haus gibt es eine hohe Gartenmauer. Die Lichtkegel eines langsam
Ich trage die Rippen nach Hause. Sechs Kilo Fleisch vom Schwein. Das Gewicht schneidet ein, das Fett trägt auf. Das Schöne ist, ich kann es abstellen - das Fett im Plastiksack steht in der Garderobe. Die Gäste kommen um acht. Das gebügelte Tischtuch wird ausgebreitet, die funkelnden Gläser verteilt.Das Fleisch fällt aus dem Plastik und flutscht in die Eisenpfanne. Das Wiegemesser singt den Knoblauch in Stücke, auch andere Gewürze werden gehackt. Das andere Messer steckt im Block. Es träumt von einer Grille. Sie reitet auf seinem Rücken und schneidet in den Arm einer Frau. Sie steht
Was tut und will Literatur, was Politik? Wie ist ihr Verhältnis zueinander? Wo überschneiden sie sich vielleicht? Und was hat mit all dem die Ironie zu tun -Kafkas Brücke und Preußlers Hexe?
Das Museum war voll mit Menschen um 50+. Sie lagen auf Matratzen oder saßen am Boden. Das Manifest einer Utopie wurde verlesen und es begründete eine Stadt, wo nur das Fahrrad erlaubtes Verkehrsmittel ist. Jeder ist in Utopia willkommen, doch der Stadtschlüssel kann auch entzogen werden. Immer steckt ein Regelwerk dahinter, das eine Unterwerfung erfordert, oder soll ich Einschulung dazu sagen? Wie sieht denn mein Utopia einer Weltstadt aus? Wer fährt im Alter mit dem Rad? Ich fahre im Lamborghini um den Arc de Triomphe und um die Welt. In Saudi Arabien, wo die Peitschen sich um die