Nehammer-Video: Armutszeugnis Freizeitquote

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Schriftstellerin Lydia Mischkulnig über das Video von Bundeskanzler Nehammer und seinen McDonalds-Sager.

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Schriftstellerin Lydia Mischkulnig über das Video von Bundeskanzler Nehammer und seinen McDonalds-Sager.

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Die Freizeitquote erhöhe sich nicht einmal bei Frauen, die keine Betreuungspflicht hätten, sagt der Kanzler. Hm. Fast nur Männer im Bild. Gläser mit Weißwein. Brötchen. Der Tenor klar: Wer mehr verdienen will, soll arbeiten gehen. Wer arbeitet hat Geld. Hm. Frauen ohne Betreuungspflicht. Die hätten viel Freizeit. Denkt der Kanzler. Aber ihre Freizeitquote erhöhe sich nicht. Hm. Wie löst er das Paradoxon? Simpel: Frauen ohne Betreuungspflicht arbeiten, erhöhen ergo ihre Freizeitquote nicht, sind ergo nicht arm. Die Männer im Video sind nicht armutsgefährdet. Sie wirken auch nicht hungrig, haben zu wenig Freizeit für gesunde Bewegung. Die kostet natürlich was. Zeit zumindest. Die wird geopfert, für den Kanzlerauftritt. Was kostet dieser?

Das Setting, wie ein Partykeller. Gelächter, Zwischenrufe, hysterische Affirmation. Die Aufnahme ist übersteuert, knistert. Wir müssen mehr als wachsam sein, sonst komme die DDR-Wirtschaft, dann würden die Kalorien berechnet für jedes Kind und die Qualität der Nahrung bestimmt. Hm. Vielleicht ein modifizierbarer Ansatz für einen demokratischen Sozialstaat? Der Burger und die Pommes Frites für Elternteile, die keine warme Mahlzeit beschaffen können.

Die Kamera schwenkt kurz zur Decke. Das Licht färbt die Gesichter teigig. Kaufkraft, Inflationsbereinigung schwirren als Selbstlob. Blasse Blumen in den Vasen. Häppchen ab in die Münder. Sozialpartnerschaftliches Verhandeln mit Angeboten für die Lohnabschlüsse. Usw. Teilzeit. Arbeitslose. Arbeitsplätze. Arbeitsverweigerung. Beirat. Wir sind alles gelernte ÖVPler, wir wissen was Leiden heißt. Was meinte der ÖVP-Kanzler damit? Den Fake seines Vorbildes Figl, der seinen Satz „Österreich ist frei“ erst am Totenbett 1965 auf Tonband gesagt hat? Meint er Figls KZ-Geschichte? Das ist schwere Verharmlosung. Ein Wirklichkeitsverweigerer heutiger Armut ist er.

Die Autorin ist Schriftstellerin.

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