Utopia mit Lamborghini

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Das Museum war voll mit Menschen um 50+. Sie lagen auf Matratzen oder saßen am Boden. Das Manifest einer Utopie wurde verlesen und es begründete eine Stadt, wo nur das Fahrrad erlaubtes Verkehrsmittel ist. Jeder ist in Utopia willkommen, doch der Stadtschlüssel kann auch entzogen werden. Immer steckt ein Regelwerk dahinter, das eine Unterwerfung erfordert, oder soll ich Einschulung dazu sagen? Wie sieht denn mein Utopia einer Weltstadt aus? Wer fährt im Alter mit dem Rad?

Ich fahre im Lamborghini um den Arc de Triomphe und um die Welt. In Saudi Arabien, wo die Peitschen sich um die Peitscher schlingen, sie fesseln und verknoten, gibt es ab sofort Lenkerinnen mit wehenden Kopftüchern. Wir flitzen durch Berlin und über den roten Platz nach Kabul, Bagdad und Mosul, wo die mittelalterliche Utopistin Christine de Pizan als Stadthalterin gerade aus der Kirche austritt.

In Wien geh ich zu Fuß. Radfahrer bügeln Passanten nieder und Mütter mit Kinderwägen schauen sie verächtlich an, weil sie im Weg sind. Wehe dem Rollator! Immer mehr Alte krebsen herum. Mein Utopia ist deshalb eine lustvolle Geriatrie. Voller Flaneusen und Flaneure, die sich auf Reise begeben in die Lustzentren ihrer Körper, wenn sie diese Oasen noch besiedeln können. Eine Hölle aus Flausen, Lügen, Lust. Roboter wickeln unsere Popos, und wenn gar nichts mehr geht, dann trösten sie uns. Mein Schatz heißt Lamborghini und er nimmt mich in die Arme und trägt mich über die Schwelle. Warum nicht?

Ich bin elektronisch betreut, damit der Körper nicht wundliegt. Die Alarme meines Lamborghinis, wenn das Herz muckst, der Zucker ausschlägt, weil die Werte stark nachlassen, liebe ich. Wir gehen ins Museum. Wir gucken uns Mumien in der ägyptischen Abteilung an. Kinder stehen auch rum. Für Kinder ist mein Lambo-Rob keine Utopie, sondern eine Frage des betuchten Alters.

Die Autorin ist Schriftstellerin.

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