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Die sommerlichen Gefühle erwachen. Man darf raus und rein ins Lokal. Noch fühlt sich die Gemeinschaft seltsam an, so als hätten Papa und Mama einen Ausgang erlaubt. Die Schanigärten füllen sich wieder und das Fahrrad rollt repariert an den Tischen vorbei. Der normale Weg ist beschritten, befahren, überflogen. Die Vögel waren immer schon frei. Dort und da wird gegraben, wie früher auch. Der Belag unter der Gumpendorferstraße wird aufgestemmt und nie gesehene Schienen liegen frei. Die Treffen in den Parks unter freiem Himmel waren ganz nett, als die Begegnung von Kleingruppen nur dort erlaubt war. Das Geld landet ab heute lieber in den Bars. Das fühlt sich erwachsener, mondäner oder einfach gewohnter an. Wie viel Alkoholiker braucht ein Lokal, um zu überleben?

Die Baustelle vor dem Haus ist auch nachts in Betrieb. Die Spuren vergangener Zeiten sind vom Asphalt befreit, erwecken nostalgische Gefühle für den erst seit kurzer Zeit erwählten Wohnort. Die goldenen Gedenksteine mit den Namen der einst vertriebenen und vernichteten Bewohner, lange vor der Seuche, sind von den Rädern überrollt.

Die schweißnassen Arbeiter in ihren Schutzanzügen tragen Helme. Die Blicke richten sich fragend auf die Passanten, was ist denn das Begehr dieser Neugier? Die Höhe der Gehälter? Das Interesse gilt den Schienen, nicht den Menschen, die hier buddeln. Die Fassaden der Gründerzeit sind verhängt. Alles in Restauration. Das Gehämmer dringt durch die alten Fenster. Das alte Glas ist dünn. Kein Wunder. Außerdem: Nach der Stille der Quarantäne, nach der Preisung der Helden der Systeme kommt die Störung der Nachtruhe zurück.

Der Traum folgt. Ein anderes, gerechteres Leben soll entstehen. Am Zentralfriedhof liegen die Trümmer letzter Dinge: Mercedes, Einfamilienhaus, Flugzeug, Speicherfarm im erlaubten Maßstab für Grabsteine.

Die Autorin ist Schriftstellerin.

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