Wieder einmal eine Kolumne über eigene Kinder gelesen. Oder war es ein Posting? Ist das Sujet nicht inflationär? Auf die Kontinuität kommt es an. Gut, wenn gerade ein Kind auf die Welt kommt, oder Zwillinge, oder noch mehr, dann spannt sich ein roter Faden durch die seriellen Texte, von der Wiege bis zur Bahre. Als Leser werde ich Zeuge eines Lebens. Nabelschnüre verknoten sich, Bande sich auflösender Bindungen. Das Kind macht Bäuerchen, es sorgt auch für Komik, die mich an seine Privatheit knüpft.
Die Liebeserklärung an das eigene Fleisch und Blut schlägt dabei durch, sucht meinen Beifall. Wer kennt nicht die Großartigkeit des ersten Wortes, des ersten Krabbelns, der ersten Rückenrolle bis zum ersten Joint und zum Theater mit der Schule und der Liebe. Solange die Kinder sich nicht wehren, bleiben sie Futterstoff. Nervt mich das? Wie wäre es für mich, Texte meines Vaters lesen zu müssen, in denen er mich für die Unterhaltung einer anonymen Menge zum Material gemacht hätte – Objekt mit Körpergeräuschen jeder Art. Lachen subsumiert. Eine unzumutbare Idee. Ich bin froh, dass er nie über mich geschrieben hat. Dann denke ich mir wieder, vielleicht wäre es ganz anders gekommen, denn hätte er eine Kolumne über mich geschrieben, wäre er vielleicht so berühmt, dass ich mich in diesem Glanz gesonnt hätte. Undenkbar, dass irgendein Ruhm meiner Mutter groß und glänzend genug gewesen wäre, darin Platz zu nehmen. Sie hätte mich weggeputzt, so wie sie meine Kinderzeichnungen beseitigt hatte. Habe ich je gemalt? Was macht es aus, sich nicht in seinen Persönlichkeitsrechten beschnitten zu fühlen?
Vielleicht liegt es an der Augenhöhe, die verlangt, bei sich zu bleiben, um nicht im Namen des Kindes den Namen des Kindes zu verwischen. Diesen Zweifel um die Notwendigkeit der Familienökonomie in der Kolumne mitschwingen zu lassen, kann vielleicht die Literatur leisten, wenn sie sich um Wahrhaftigkeit bemüht.
Die Autorin ist Schriftstellerin.
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