Krawatten & Ressentiment

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Die Krawatte ist ein Schmuck und typisches Requisit männlicher Garderobe. Die Schürze ist zumeist auch ein Schutz gegen den Dreck der Arbeit und typisches Requisit der dienenden Frau. Beide Kleidungsstücke stiften Identität, zeigen Zugehörigkeit. Die Schürze bedeckt korrekt den Schoß. Die Krawatte liegt über der Knopfleiste eines Hemdes und weist mit der Spitze wie ein Pfeil in den Schritt.

Die Krawattenschürze ist eine Synthese, ein Souvenir aus dem Frauenmuseum in Meran. Kitsch oder Kunst? Ein Stück Stoff voll des Ressentiments. Ich hänge sie mir um. Sie ist leicht, aber gleichzeitig schwer, sie würde vor Fettflecken schützen, entspricht aber mehr einem ausdrucksstarken Kostüm. Soll ich damit ins Theater gehen?

Ich lege sie ab und setze eine Stoffmaske auf, gehe durch Meran. Der Fluss wächst, die Steine sind umflutet und der Nebel löst die Berge auf. Hinter den Schwaden der verkalkte Blick der steinernen Kaiserin Sissi. Das Tüpfeln der Lacken, die Ringe konzentrischer Kreise, Spatzen, und nasse Füße.

Der Herr ohne Krawatte sitzt schon auf der Bühne. Er komponiert und ich reihe Worte. Wir sprechen zum Stichwort „Ressentiment“. Über die Unmittelbarkeit der Musik, die semantischen Räume der Sprache, wie das eine das andre durchdringt. Auf Deutsch gibt es keine direkte Übersetzung für den Begriff Ressentiment. Das italienische „ressentire“ bedeutet WIEDERFÜHLEN. Bei der Schürze aus Krawatten ist eher ein WIDERFÜHLEN gegen die Bedeutungen im Spiel.

Wie komme ich zur literarischen Sprache? Der Musiker fühlt nach. Klang ist Klang. Das Wichtigste ist ein Lehrer, der bei der Persönlichkeitsbildung half, der beibrachte, sich selbst zu akzeptieren, um dann Schürzen und Krawatten in Instrumente zu verwandeln, um auf ihnen zu spielen. Nun horche ich auf. Wir reden über das Gleiche. Egal, ob Krawatte oder Schürze oder beides nicht, was zählt, ist der Rhythmus.

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