Wölfische Praxis

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Über Isegrimm zwischen Sündenbock und Bewunderung.

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Über Isegrimm zwischen Sündenbock und Bewunderung.

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Wir fahren über das Land. Die Wiesen stehen unter Wasser. Die Bäume sind entwurzelt, totes Holz für Borkenkäfer, Spinnen und Zecken, die viral mit Fleischallergie anstecken. Was geschieht, wenn es keine Fleischfresser mehr gibt? So komme ich auf den Wolf, der eine gute Seite hat, er reißt die wilden, kranken Schwachen. Der Isegrimm schützt das Gras vor Wild. Selten liegt er am Waldesrand und inspiziert die menschliche Lebensweise. Elektrische Zäune werden nötig, die Herden zu schützen. Der Wolf neigt zum Massaker. Er ist auch ein gutes Familienmitglied. Hitlers Liebling war der Wolf. Die biologische Verwandtschaft beweist die soziale Ader, die jederzeit unmenschlich sein kann. Mensch und Wolf sind Kooperationstiere, soziale Laufjäger. Der Mensch ist sesshaft geworden, hat mit Bedeutung zu spielen angefangen, um aus Wirklichkeit Fiktion und wieder Wirklichkeit zu schaffen. Eine Reißerische. Politik sozusagen. So wurde der Wolf zum Projektionstier für Ideologen. Wölfe sind verspielt, neugierig, misstrauisch. Tun nur, was für sie Sinn macht. Ein Hund hat größere Dominanzakzeptanz, ist machtpolitisch nützlicher. Der Wolf löst ambivalente Gefühle aus, Bewunderung für die Unberechenbarkeit und die Abscheu vorm Massaker. Er ruft das Verhältnis zum Tier auf den Plan. Die Selektion auf Zähmbarkeit hat ihn auseinanderdividiert. Aber jetzt bleibt der SUV in der vermurten Straße stecken. Wer ist verantwortlich dafür? Bitte einen Sündenbock! Der Wolf? Die Autoindustrie? Mittler zwischen Sprit und spiritueller Allmachtphantasie? Der Motor heult. Die Sehnsucht nach Herrschaft über die Wildnis steigt, sonst kommt noch Tollwut, weil wir mit dem Wolf nicht fertig werden, dafür aber verlangen, Elefanten, Flusspferde, Tiger zu schützen, obwohl sie Menschentote produzieren. Die Bienen nicht zu vergessen. Sie tragen auch Verantwortung. Wann werden Lobbyisten auf sie schießen?

Die Autorin ist Schriftstellerin.

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