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Ein Haus auf dem Lande, eine Almhütte im Gebirge, ein Leuchtturm am Meer, gern wird Einsamkeit zum Schreiben empfohlen. Für mein Schreiben bedeutet es den Tod. Mit hilft das Verlassen der eigenen vier Wände. Ich muss den Zustand des Schreibens im Alleinsein unter Leuten erreichen. Literatur in Zeiten von Corona entsteht bei mir also nicht. Was tun gegen die Ödnis der Arbeitslosigkeit? Literatur im Netz allüberall. Sogar gegenüber in der Gasse haben die Leute Gedichte auf Leintücher gemalt. Sie hängen sie aus dem Fens­ter. Andere Nachbarn besitzen ein Megafon und sie üben bereits für den Lesetag, wo alle möglichen Leute aus allen möglichen Literaturen, auch alle möglichen Eigenproduktionen gegen Corona lesen werden.

Ich beschließe zu agieren. Auf den schönsten Touristenplätzen Wiens will ich stehen und mich beim Verlesen meiner Gedichte filmen. Sie hernach auf youtube stellen und per facebook dafür werben, mir einen Betrag zu überweisen. Ich gehe in den Stadtpark zum vergoldeten Johann Strauß. Kein Mensch ist dort. Bis auf einen Mann mittleren Alters. Ein Künstler, der mit seinem Diabolo ein Kunststück vollführt. Sein Handy liegt auf dem Boden, von einem Ast gestützt, so dass er sich von unten filmen kann. Den ganzen Tag ist er bereits unterwegs und filmt sich vor den Attraktionen der menschenleeren Architektur. Er möchte auf facebook groß rauskommen und per Crowdfunding seinen Verdienstentgang einholen. Der Job als Entertainer beim Formel-1-Rennen im mittleren Osten ist geplatzt. Ich gebe ihm ein Gedicht zu lesen. Er will es zur Attraktion machen. Mit Stelzen.

Wim, so heißt er, wartet nun auf skype. Unter seiner Anleitung trainiere ich den Gleichgewichtssinn. Ich verwende die Stelzen. Hoch oben auf diesen Krücken stoße ich an die Decke meiner eigenen vier Wände. Die Kamera verrutscht und filmt die Buchrücken der österreichischen Literatur.

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