Nach dem Schreiben
Schriftstellerin Lydia Mischkulnig über die Ohnmacht nach dem Schreiben.
Schriftstellerin Lydia Mischkulnig über die Ohnmacht nach dem Schreiben.
So ein Tag alleine bedeutet Lust aufs Lesen, sieht man die Regentropfen, das Grün, riecht man den Knoblauch auf der Schwarte, die Siebenschläfer draußen. Sie stehen unter Naturschutz und ihr Name erweckt schon die Fantasie. Der Name Corona klingt wie ein Märchen von den Kugeln mit Zapfen, die sich festhaken, sobald man sie berührt. Der Mond hat eine Corona und die Sonne auch, wie der Spindelstich seinen Hauch auf dem Finger hinterlässt. Woher kommen die Bilder und die Namen für einen Virus. Wie verantwortlich sind die Lautgeber, mit den Tröpfchen in den Aerosolen ihrer Lungen. Ganz in Maske reisen sie nach Kroatien und Jesolo und nach Sehnsuchtsorten im Auto.
Die Siebenschläfer sind in den Bäumen und leben im Haus. Nachts jagen sie durch das Gebälk des Dachs. Hält man sie an, mit dem Licht, glänzen ihre großen schwarzen Augen und sie schimpfen: Wir schlafen nicht, wir überwintern. Dass wir schlafen, ist ein Märchen. Ja, wenn das Buch erschienen ist, hat man wieder Zeit für die Zustände, die man rund um das Schreiben wegdrängt. Die Ohnmacht, die man vorher verspürt hat, stellt sich als Irrtum heraus, denn man kann zumindest schreiben, wenn man schreibt.
Aber wenn man nicht mehr schreibt, dann ist sie da, die Ohnmacht, die einen auslacht. Sie ist mit der schreibenden Hand immer ganz unsichtbar vermischt, wie die Legende vom Regen, der in die Traufe fällt. Jeder Tropfen zieht Kreise. Jeder Tropfen hat seine Corona und jede Corona ihre Corona. So ohnmächtig ist der Regen, er kann seine Wirkung nicht verhindern und die Macht der Traufe sagt, du bist dazu da, dass es mich geben kann. Wir sind halt aus Wasser. Man kann aber auch sagen, ein Teil vom Ganzen, wovon die Siebenschläfer nichts wissen, obwohl sie im Fluss des Märchens vorkommen. So ist es. Eine Gegebenheit, die man nicht wissen, aber lesend mitschwimmen kann.
Die Autorin ist Schriftstellerin.