Halligalli zappenduster
Kolumnistin Brigitte Quint liebt Trubel. Auch wenn Hinz und Kunz es ihr ausreden wollen.
Kolumnistin Brigitte Quint liebt Trubel. Auch wenn Hinz und Kunz es ihr ausreden wollen.
Letztens habe ich Corona vergessen. Einfach vergessen. Ich hatte überlegt, was wir am Wochenende unternehmen könnten. Zoo, Schwimmbad, Freunde besuchen – irgendetwas halt, das Familien so machen. Und dann ist ES mir wieder eingefallen. Wie konnte ES mir nur entfallen? Natürlich machen wir nichts. Wir bleiben zu Hause, schnappen höchstens frische Luft, halten uns fern vom Rest der Menschheit, besinnen uns auf uns selbst.
Das Bekenntnis zur Selbstbesinnung ist ja en vouge. Hinz und Kunz praktizieren es. Das Aushalten der Corona-Maßnahmen steht und fällt mit dieser Disziplin. Der Mensch müsse es schaffen, es für eine Weile ohne Ablenkung auszuhalten, heißt es. Es geht um den ureigenen Kern, den es wieder zu entdecken gilt. Mein ureigener Kern kann mich kreuzweise. Und auch diese Prediger, die mir einreden wollen, das eigentliche Glück läge abseits von Trubel und Halligalli.
Meine Theorie ist, dass diese Besserwisser in Wahrheit Corona-Gewinner sind. Deren Leben blieb quasi unverändert. Die haben sich auch vor Corona selten vor die Tür bewegt, haben sich selbst genügt. Früher sind diese Stubenhocker als Langweiler geschmäht worden. Heute wähnen sie sich als Erleuchtete.
Diese Spezies hat in Corona-Zeiten eindeutig die Nase vorn. Das gebe ich zu. Neidlos. Den ganzen Tag in der Bude sitzen und abends ausgeglichen ins Bett gehen – Hut ab vor dem, der das schafft. Was ist eigentlich das Gegenteil von erleuchtet? Google schlägt „zappenduster“, „strohdumm“ oder „unterbelichtet“ vor. Wer gerade ohne triftigen Grund das Haus verlässt, wird sich diese Zuschreibung in der Tat gefallen lassen müssen. ES ist noch nicht vorbei.
Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Machos brauchen Ruhe" oder "Kein Nikolo. Echt jetzt?".