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Ein Vermächtnis

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Als 1989 die Weltende-Euphorik auf ihrem Höhepunkt angelangt war, beurteilten russische Autoren wie zum Beispiel Andre Bitow die Lage eher als unvermeidlche Operation, die allerdings von einem so großen Risikofaktor belastet sei, daß man nicht voraussagen könne, ob und wie amputiert der Patient überleben wird.

Nun liegt erstmals in deutscher Sprache ein Werk vor, das beweist, wie unvermeidbar die „Operation" gewesen ist, und dies nicht durch Statistiken des Terrors, sondern durch die Stimme eines eingekerkerten Gerechten. Ein Gerechter, der als Künstler mit Stephane Mallarme, Thomas Stearns Eliot und Wystan Hugh Au-den vergleichbar ist. 1937 ist Ossip Mandelstamm in einem KZ zugrunde gegangen. Erst 1973 durften seine Werke in der UdSSR wieder aufgelegt werden.

Nun hat sich Felix Philipp Ingold der schwierigen Aufgabe unterwunden, diese aus dem Klangkörper der russischen Sprache geborene Reim-und Assoziationskunst ins Deutsche zu übertragen.

Ingolds Verdienst ist es, uns die Chance einer überfälligen Bewußtseinserweiterung geboten zu haben, insofern uns das Buch europäische Poetik in ihrer russischen Abwandlung und Weiterentwicklung vermittelt. Aus solchen Gedichten kann man erfahren, „wie das Blut umspringt mit dem Salz des Ozeans", wie sich das Personale mit dem Kosmischen verschränkt, wie es sich kreuzt in Schmerz und Glorie.

DAS ZWEITE LEBEN. Späte Gedichte und Notizen. Von Ossip Mandelstamm. Aus dem Russischen Ubersetzt und herausgegeben von Felix Philipp Ingold. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1991. 137 Seiten, öS 202,80.

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