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Ein Vulkan

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In jeder Diskussion kann man es erleben, wie man die Äußerungen eines Teilnehmers weniger zu verstehen sucht als vielmehr ihn selbst zu einem Popanz aufbläst, um ihn besser erledigen zu können. Zu einem solchen Popanz der Obszönität wurde der jetzt verstorbene Henry Miller gern aufgebläht. Versucht man jedoch seinen Stellenwert im Zeitgeist, im „sozio-kulturellen Kontext” zu erforschen, mag man zu anderen Ergebnissen kommen.

Theologen wie Lüthi oder Müller-Schwefe untersuchen mit großem Verständnis, was Eros, Obszönität und Blasphemie im heutigen Schrifttum bedeuten, statt sie bloß mit Zensuren zu belegen. Von solchen Überlegungen unterstützt, kann man auch mit neuem Verständnis, statt sich bloß zu entsetzen, Henry Millers Bücher lesen. Ein Vulkan, der ausbricht, schleudert neben Unrat, Asche und Lava auch kostbares Gestein an die Oberfläche. Man wird dann eben nicht nur die gewissen Passagen in Millers Werk ausforschen, sondern den ganzen Kontext mitlesen und erfahren, welch großer Künstler er war. Es nimmt nicht wunder, wenn er so vieles, was heute in den Subkulturen blüht, vorwegnehmend beeinflußt hat und einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis eines Zeitgeistes beigetragen hat, der uns neben der Schockwirkung auch kathartisch erschüttern kann und soll.

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