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Eine Geschichte der Verlierer

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Man sagt, Geschichte werde immer von den Siegern geschrieben. 500 Jahre nachjenem denkwürdigen 12. Oktober 1492 trifft das auf die Ureinwohner Amerikas nicht mehr zu. Der Herausgeber hat namhafte Historiker und Anthropologen aus den USA gefunden, die mit ihm die Geschichte Amerikas neu schreiben - eben aus der Perspektive der betroffenen „Indios", wie sie Kolumbus genannt hatte. Unter den Autoren finden sich auch Mitglieder indianischer Stämme.

Im ersten Teil der Aufsatzsammlung werden das Leben und die Kultur der Menschen des Doppelkontinents geschildert, von den Eskimos bis zu den Feuerland-Indianern. Der zweite Teil behandelt Themenkomplexe wie die indianischen Sprachen, Religion, Gesellschaft, Wissenschaft, Technik und Kunst:

Beeinträchtigt wird der Wert der Publikation dadurch, daß zwar mit vielen Stereotypen und Vorurteilen aufgeräumt wird, an ihre Stelle aber neue treten. In der Einleitung und dem Nachwort, beide gleichermaßen dem Stil nach polemisch, erfährt der Leser viel vom herrschenden Zeitgeist, der mit zweierlei Maß mißt: die Menschenopfer der Azteken, der Staatsterrorismus der Inkas, der Kannibalismus der Tupinamba und ande rer Stämme werden „wertfrei" geschildert, die Europäer jedoch als Verbrecher verdammt, die einen jahrhundertelangen Holocaust verursachten.

Angesichts der Haßausbrüche gegen die weißen Eroberer fragt man sich: warum bringt man heute die Herdersche Einfühlung, warum Fairneß, warum das Verständnis des Wissenschaftlers für alle Zivilisationen auf mit Ausnahme der europäischen?

AMERIKA 1492. DIE INDIANER VÖLKER VOR DER ENTDECKUNG. Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Alvin M. Josephy. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1992. 594 Seiten, öS 374,40.

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