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Eine Kirchenoper?

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Uber der Kirchenoper „Curlew River“ Benjamin Brittens, in der Wiener Kirche „Maria am Gestade“ erstaufgeführt, spannen sich Brük-ken, die nie den anderen Kontinent

erreichen: Sie ist nicht Oratorium, nicht Oper, sofern die „Kirchen-oper“ nicht eine contradictio in ad-jecto ist, ebensowenig japanisches No-Spiel wie mittelalterliche Mysterienhandlung und erst recht nicht musikalischer Brückenschlag vom gregorianischen Choral zu asiati-

scher Kultmusik. Die Erzählung von einem Knaben, der als Sklave von seinem grausamen Herrn zü Tode gequält worden sei und an dessen Grab Wunder und Krankenheilungen geschähen, kann nicht recht ergreifen, wie es ja den Versuchen, mittelalterliche Passionstradition zu erneuern, fast ausnahmslos ergeht. Die Faszination, aus der Verbindung des gregorianischen Chorals (Hymnus „Te lucis ante terminum“) mit der Musik zu No-Spielen eine aus beiden genährte lineare Primitivmusik zum Text zu schaffen, überrascht nur in den Anfängen, ebenso wie dem zeitlosen Choral eine angenäherte ,3egleitung“ zuzugesellen. In den entscheidenden Augenblicken des Mysterienspiels ergibt sich nicht das angestrebte Ganze, sondern es erweist sich die Virulenz der Gregorianik Europas stärker als das Exotische aus dem Fernen Osten. Ebenso ausdruckslos bleibt die Heterophonie und die dreifache Uberschichtung des Klangbildes in den starken Ballungen der Handlung, weil sie in ihrem Nebeneinander nicht mehr „erhört“ werden können. Der Eklektizismus führt sich ad absurdum, wie der Naturalismus des Klangkolorits die Zwiespältigkeit der musikalischen Gesinnung ausweist. — Die von hohem Niveau getragene Aufführung stellte an die Solisten, das Instrumentalensemble und den Ferdinand-Gross-mann-Kammerehor sehr differenzierte Anforderungen. Ausgezeichnete Leistungen boten Eberhard Kummer als Fährmann, Leopold Spitzer als Abt und Hitoshi Hatano als Mutter. Die musikalische Leitung besorgten Walter Moore und Herwig Reiter.

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