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Einheits-Möbel

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Autoritätsumkehr, wenn das Rind im Hochbett liegt und auf die Eltern hinuntersieht.

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Autoritätsumkehr, wenn das Rind im Hochbett liegt und auf die Eltern hinuntersieht.

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Wohnen ist das Konservativste, was es gibt", be-Rauptet Heiner Fürst, Assistenzprofessor an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst in der Meisterklasse für Architektur.

Seine These begründet Fürst folgendermaßen: Die ersten eineinhalb bis zwei Lebensjahrzehnte verbringt der Mensch in seinem Elternhaus, will heißen in einer konservativ, trajditionell eingerichteten Umgebung. Von dieser Umgebung, dieser Vorstellung, wie Wohnen zu sein hat, sei dann jeder so stark geprägt, meint Fürst, daß er diese Maßstäbe dann für seine eigene Wohnung übernähme.

Dazu kommt noch, daß eigentlich nur konventionelle, einheitliche und oft wenig funktionelle Möbel angeboten würden. Daraus ergäben sich konventionelle Räume, die ihrerseits wieder nur konventionelle Lebensmöglichkeiten böten, meint Heiner Fürst.

Ein Beispiel: Erwachsene sind es gewohnt, auf Kinder hinunter zu sehen. Liegt das Kind im Bett, kann der Erwachsene sich darüberbeugen, er hat den Überblick, die Kontrollmöglichkeit.

Liegt das Kind allerdings in einem (praktischen, weil

platzsparenden) Hochbett, kommt es zu einer Umkehr der Autorität: Nun ist es das Kind, das hinunterschaut, sich oben sein dem elterlichen Blick entzogenes Beich frei gestalten kann.

Die Lebensumstände und Bedürfnisse der Menschen sind sehr unterschiedlich, logisch betrachtet müßte das auch in den Wohnungen und deren Gestaltung seinen Niederschlag finden. Tatsächlich wohnt man aber in Möbeln „von der Stange", die auf die individuelle Lebensweise keine Bücksicht nehmen.

Heiner Fürst plädiert deshalb dafür, sich beim Einrichten einer Wohnung zunächst einmal über seine Bedürfnisse wirklich klar zu werden, ohne sich um die Machbarkeit zu sorgen.

Wer nicht gleich klein beigibt, kann ungewöhnliche

Möglichkeiten in seiner Wohnung entdecken, bis hin zum hängenden Arbeitsplatz mit einer Bodenplatte aus Plexiglas - das gewährleistet die Kommunikation mit Kindern oder anderen Mitbewohnern „unten", ohne daß man deshalb immer aufstehen und hinuntergehen muß.

„Wohnen gehört unterrichtet", sagt Heiner Fürst, „man muß das studieren wie eine fremde Sprache." Ist das geschehen, kann man auch virtuos mit seinen Wohnmöglichkeiten und Wohnbedürfnissen umgehen.

Heiner Fürst wünscht sich deshalb Volkshochschulkurse für Innenraumgestaltung und Möbelbauen. Tatsächlich kann man nämlich vieles selber machen - wenn man sich einmal von den Klischeebildern der Möbelprospekte befreit hat.

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