6885664-1979_26_09.jpg
Digital In Arbeit

Einsamer Wolf

Werbung
Werbung
Werbung

Von Krimi-Serie zu Krimi-Serie trachten die Amerikaner eine jeweils ärgere Seite des Landes zu enthüllen, über dessen Eingang das gründliche Scheusal, die Freiheitsstatue, wacht.

War es bei „Petrocelli“ eine zwar kinderlose, aber immerhin funktionierende Ehe, die eine allzeit optimistische Lösung versprach, deren letztes Argument die kinnknochen-knackende männliche Faust ist, war es in den „Straßen von San Franzisko“ die unterschwellige Bindung zwischen dem älteren und dem jüngeren Mann, die von den bundesdeutschen Produzenten eilends kopiert werden konnte, so kam nun endlich mit „Ser-pico“ der aktuellste und neueste Typus ins Spiel: der einsame Wolf, bärtig und mit blitzendem Gebiß, außerstande, dauerhafte menschliche Bindungen einzugehen. Ein geschlagener Sieger. Deutschsprachige Jugendliche werden ihn zum Vorbild nehmen.

Den Franzosen, den Italienern, den lebensnahen Lateinern überhaupt wird er fremd bleiben. In Frankreich enden Helden tragisch. Auch als Gangster steigen sie auf die Barrikaden, nicht um zu siegen, sondern um dort zu fallen. In Glorie.

Den Italienern geht es um den Nachweis, daß Mussolini an allem schuld sei und daß nicht etwa der Pöbel ihm Vorschub geleistet habe (was der Wahrheit entspräche), sondern die (heute noch) königstreuen Aristokraten, Staatsbeamten und Offiziere.

Nichts von all dem in Amerika und in der amerikahörigen Bundesrepublik. Die Mafia, die auf Sizilien noch so etwas wie Stil hat und antike Schicksalstragödien produziert, ist in den USA, wohin sie vor Mussolini ausriß, nichts als grauslich. Hier gilt wirklich nur noch die Illusion des Geldes, des Standards, eines zur Sozialkritik degradierten Christentums, der Macht, des verlogenen Puritanismus.

„Serpico“ wird, bis man seiner überdrüßig ist, durch diese Welt der Slums, unbewältigter Rassenprobleme, optimistischer Illusionen und unaufhaltsamer Weltbeglückung hindurchschreiten, Kinnhar ken austeilend, siegend und verdrossen, als einsamer Wolf.

Das falsche Weltbild, das der ganzen Misere zugrunde liegt, vermag der homo Americanus, von remigrierenden Dissidenten abgesehen, ebensowenig zu durchschauen wie der von seinen Dissidenten kaum beunruhigte homo Sovieticus.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung