7227596-1993_50_01.jpg
Digital In Arbeit

Er wollte nichts anderes als dienen

Werbung
Werbung
Werbung

Selbst seine politischen Gegner bescheinigten dem ungarischen Premier Jozsef Antall stets staatsmännisches Format. Als erster frei gewählter Ministerpräsident der Nachkriegszeit hatte Antall eine schwere Erbschaft übernommen, die er stets allein zu tragen versuchte.

Als sich wenige Monate nach dem Amtsantritt die ersten Zeichen der Krankheit zeigten, hätte er sich noch ins Privatleben zurückziehen können, doch er entschied sich für die andere Möglichkeit, ohne zu zögern. Messia-nisches Sendungsbewußtsein war ihm genauso fremd wie die Neigung zum Diktatorischen, doch er kannte die charakterlichen und geistigen Qualitäten seiner Mitarbeiter zu gut, sodaß er das „Politikmachen in Partei und Be-gierung” stark auf seine Person konzentrierte.

Be-Integration in den Westen, innenpolitische Stabilität, Isolierung der Ulträrech-ten - sind Verdienste, die nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit seiner Person verbunden bleiben.

Und doch bleibt Antall eine tragische Gestalt, der die eigene Tugend zum Verhängnis wurde; es gelang ihm nicht, einen Nachfolger zu finden, obwohl er sich unter dem wachsenden Druck der zeitlichen Begrenztheit, durch zunehmendes physisches Unvermögen immer größte Mühe gab. Selbst an seinem Sterbebett lehnte er schmerzstillende Mittel ab, um nur für die Pflicht dazusein. Sein bitteres Geheimnis, daß seine Mitarbeiter in der Regierung und an der Spitze des Ungarischen Demokratenforums nur noch solange Politiker sein werden, solange seine Stärke hinter ihnen steht, hat er nie ausgesprochen. Der schweigsame Einzelgänger meinte vor drei Jahren in einem Gespräch zur Person: Ich will dienen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung