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Es wird nicht geschossen

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Einem Ungarn muß, wenn er nur will, und wenn er begabt ist, nach jahrhundertelangem Training so gut wie alles gelingen. Wie etwa unlängst dem großartigen Paul Lendvai mit „Duell im Äther” die Umsetzung des akustischen Phänomens Hörfunk in durchkomponierte Bildfolgen, die nicht mit dem Herzeigen von Mikrophonen, Sendemasten und Schalttafeln langweilten, sondern immer neue dramatische Höhepunkte sichtbar machten.

Sichtbar, und nicht nur hörbar, war das Aneinander-Vor-beireden westlicher Interviewer und östlicher Radiomachthaber, für deren dogmentreues Denken jeder Versuch, der von ihnen betriebenen Ausbreitung der Weltrevolution (auf deutsch : des russischen Machtbereichs) entgegenzuwirken, einer völkerrechtswidrigen Einmischung gleichkommt.

Sichtbar wurde aber auch die entwaffnend reine Torheit jener Frau, die Jimmy Carter der „Stimme Amerikas” vorgesetzt hat, einer br,aven Demokratin, die keinerlei Auslandserfahrung besitzt und daher auch nicht ahnt, daß es Völkeifgibt, denen der American way of life nicht Gegenstand der Bewunderung, sondern vielmehr des Gelächters oder des Abscheus ist.

Aus begreiflichen Gründen nicht sichtbar gemacht werden konnten die Reaktionen breiter Volksmassen auf die westliche Informationsflut. Für den Durchschnittsrussen kam seit tausend Jahren alles Böse aus dem Westen.

Anders die Völker innerhalb des Karpatenbogens, im südlichen Polen und westlich der Drina. Ihnen wurde die große Leistung des österreichischen Neoabsolutismus nach dem temporären Irresein der Jahre 1848/49 zuteil: der stufenweise Aufbau von Parlamenten, gipfelnd im Freiheitskatalog des Jahres 1867. Das Wort vom Selbstbestimmungsrecht der Völker stammt weder von Lenin noch von Wilson. Franz Joseph sprach es bei seiner Thronbesteigung. Und „Seine” Völker ertragen seither Rückfälle nur widerwillig.

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