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Europäer sind anders

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War Jack London ein Dichter? Ich weiß es nicht. War er ein Abenteurer und ein Lebenskünstler, der von Kunst im Grunde nichts verstand? Ich weiß es nicht. War er ein Sozialist, und wenn ja, warum nicht gar? Hat er nur abgeschrieben, oder wäre, was er abschrieb, ohne seine überbordende und • eben doch wieder dichterische Phantasie nicht nur Stümperei geblieben? War er gebildet, oder reproduzierte er nur die kulturhistorischen Klischees, die jenseits des Ozeans gängig sind und die Amerika mit Erfolg versucht hat, auch den Europäern einzureden? War seine Empörung über spießbürgerliche Tücke und Borniertheit wirklich „ein schöner revolutionärer Zug”, wie Trotzki meinte, oder nicht vielmehr jener nur allzu gerechte Zorn, der jeden, auch den konservativsten Europäer, oder gerade diesen, angesichts etwa des amerikanischen Justizwesens und Strafvollzugs übermannt?

Ich weiß das alles nicht. Ich weiß nur, daß Jack London zu spannen versteht wie kaum ein zweiter nach ihm, daß man ihm medizinische Absurditäten (hier mit einer Zwangsjacke) ebenso verzeiht, wie die angelsächsisch konsequente Falschschreibung französicher oder asiatischer Personen- und Ortsnamen, daß man willens ist, zu glauben, was er behauptet und daß man es begrüßen muß, wenn er nun zum zweitenmal in den deutschsprachigen Raum eindringt. Diesmal dank der Reihe „Die Phantastischen Romane”, die Franz Rottensteiner bei Paul Zsolnay herausgibt. Ein Die- nachtdurchlesebuch, das man im Morgendämmerm noch immer nicht aus der Hand legt.

DIE ZWANGSJACKE. Von Jack London, ln der Reihe „Die Phantastischen Romane”, Paul Zsolnay Verlag, Wien. 272 Seiten. öS 170.-.

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