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Exerzitien der Weisheit

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War Sokrates Homöopath? Wollte er ewige Schönheit und Güte quasi in unendlicher Verdünnung, in kleinster Dosis verabreichen, wenn er seinen meist renitenten Gesprächspartnern wenigstens das Schöne und Gute auf Erden nahezubringen versuchte?

Der französische Philosophiehistoriker Pierre Hadot bejaht dies; er sieht darüber hinaus nicht nur in der Sokra-tischen Philosophie ein Therapeutikum: jede wirklich „philosophische Lebensweise" nach dem Vorbild alter abendländischer Tradition könnte zur Therapie unserer kriegsgeplagten Gegenwart werden, wenn man sie nur ja nicht verwechselt mit dem heute in Wissenschaft und Philosophie vorherrschenden „Diskurs". Dieser lehre intellektuelle, „in einzelne Teile glie-

derbare Theorie", wie Logik, Ethik oder Ästhetik, statt den ganzen Menschen existentiell zum praktischen Leben, zur „Kunst der Konzentration auf den Augenblick" anzuleiten.

„Geistige Übungen" dagegen, die in der Antike und im christlichen Mittelalter gepflegt wurden, vermochten dies sehr wohl. Zur Wiederbelebung solch heilsamer Praxis verfolgt Hadot ihre Spuren am Beispiel unter anderem von Goethe, Schopenhauer, Kierkegaard und Nietzsche bis zur Moderne, unter Berufung auf Michel Fou-cault sogar bis in die Postmoderne.

PHILOSOPHIE ALS LEBENSFORM. Geistige Übungen in der Antike. Von Pierre Hadot. Mathias Gatza Verlag, Berlin 1991.223 Seiten, öS 296,40.

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