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Feste, sinnentleert

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Welch prachtvolles Werk hätte hier entstehen können! Uwe Schultz, Abteilungsleiter beim Hessischen Rundfunk, hat drei Dutzend Historiker, Ethnologen und Journalisten versammelt, um eine Kulturgeschichte des Festes zu entwerfen. Das Ergebnis: ein wüster Parforceritt von Altägypten nach Woodstock; ein Kulissenschieben, kein geistiges Durchdringen der Problematik.

Daß Feste ihre Funktion aus dem Göttlichen und dem Kreislauf der Natur gewinnen, daß sie untrennbar mit Volkskultur verwoben sind, erhellt lediglich aus exotischen Exempeln: faszinierende Berichte über balinesische

Totenfeiern und afrikanischen Erntedank, doch keinerlei Hinweis auf Ostern oder Weihnachten. Herausgeber Schultz glaubt, daß das Fest die Religion überlebt habe. Mircea Eliade hätte ihn eines Besseren belehrt.

Jeglicher kulturanthropologischen Dimension entkleidet, wird das Fest zum Gaudium, zum gehaltlosen Spektakel. Besonders peinlich wirkt dieser Reduktionismus in der Darstellung Bayreuths durch Martin Gregor-Dellin und im Augenzeugenbericht Rolf Schneiders über die kommunistischen Weltfestspiele. Histörchen werden erzählt, Legenden konserviert: ob Nürnberger Reichsparteitag oder 1. Mai. Für Odo Marquard ist der Schlaf ein „keimhaftes Fest“ — kein Wunder bei dieser Lektüre.

DAS FEST. EINE KULTURGESCHICHTE VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART. Herausgegeben von Uwe Schultz. Verlag C. H. Beck, München 1988. 463 Seiten, öS 374,40.

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