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Gastfreundschaft aus voller Seele

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Von einem alten Religionslehrer wird folgendes berichtet: Er hatte es in einer Klasse mit einem Buben aus der Randschicht der \ damaligen Gesellschaft zu tun. Dieser war nicht nur ausnehmend zerlumpt und schmutzig, sondern störte auf jede nur mögliche Weise den Unterricht „Da nahm ich mir vor,’ in dem armen und schwierigen Teufel Jesus selber, den Inbegriff der Liebe, als anwesend zu sehen, und gewann dieses Miststück von Buben allmählich richtig lieb.“

Solches Verhalten erinnert an die Praxis der frühen Christen, welche die Fremden gastfreundlich aufnahmen und diesen als „den Abbildern der wahren Liebe“ (Polykarp) dann auch noch das Geleit gaben; wußte sich doch die Urkirche selber als „in der Fremde wohnend“.

Müßten nicht wir späten Christen, die einerseits wie Fremdlin-

ge im Babylonischen Turm der modernen Zivilisation zu leben haben — er kann in jedem Augenblick Zusammenstürzen —, andererseits in einer Kirche leben dürfen, die sich unaufhaltsam ins Neo-Urchristliche wandelt, müßten wir nicht jene eschatologische Deutung der ersten Christen, welche die Gastfreundschaft mit der Wiederkunft des Herrn verbanden, heute, in unseren „letzten Zeiten“ von vornherein ausweiten auf jeden Flüchtling, auf jeden Verfolgten, auf jeden von dieser Gesellschaft Ausgespieenen, auf jeden Kranken, auf jeden Verzweifelten, auf jeden Sterbenden?

In jedem Menschen, der mir und Dir als ein von Schmerz und Leid Gezeichneter, als ein von Unglück und Todesnähe Betroffener begegnet, bettelt Jesus selber um unsere helfende Liebe.

Der Autor ist Erwachsenenbildner und Leiter des Kath. Bildungswerkes Innsbruck.

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