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Schwer nur lösen wir uns von der Vorstellung, die Sprache hänge an der Wirklichkeit wie die Etiketten an den Objekten eines Museums oder wie die Namensschildchen an den Käfigen im Taubenzüchter- verein. Wort und Wesen seien in prästabilierter Harmonie aufeinan- der bezogen. In einem fulminanten Auftakt macht Julian Schütting in seinem neuen Gedichtband diesen Ansichten den Garaus, indem er zeigt, wie sich das Verhältnis von der Laut- zur Wesensgestalt wan- delt.

Ob Baum oder Taube: Wie grund- legend ändern sich diese Vorstel- lungen im Laufe des Lebens, mag auch die Lautgestalt weiterhin beharren. Zwischen der Taube, die man zu Beginn des Gedichts füttert und jener, die am Ende des Gedichts zum „faulen Zauber" geworden ist, liegen Stationen ei- nes Entwicklungsganges. Deshalb ist Dichtung für Schütting immer Übersetzung von etwas, das es als sprachliches Original gar nicht gibt.

Zu dieser Sprachskepsis im Ge- gensatz steht dann freilich Schüt- tings andere poetologische Position: „Gedichte sind Flugblätter in der Sprache an sich selbst gerichtet". Also ein Kommunikationszirkel, bei dem Sender, Empfänger und Bot- schaft identisch werden.

Ist dies eine neue Definition fürs Mysterium oder ganz einfach ein Kurzschluß, wo zuweilen der Ver- nunft und jeglicher Lebenspraxis alle Lichter ausgehen?

FLUGBLÄTTER. Von Julian Schütting. Otto Müller Verlag, Salzburg 1990.125 Seiten, öS 198,-

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