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Gegenstoß

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Der Versuch, Wien durch das Niederbrennen einzelner Gebäude zu demolieren, ist zum Scheitern verurteilt und verläuft auch viel weniger dramatisch als die vorangegangene Periode der Brük- keneinstürze. Nicht immer entspricht der Erfolg dem Aufwand, und so haben denn auch die Bombenteppiche des Zweiten Weltkriegs das Antlitz der Stadt weniger zu verändern vermocht als die Regulierungspläne des Bürgermeisters Lueger. Bedroht aber wurde die innerste Substanz Wiens erst, als die Kaffeehäuser dem Siechtum verfielen. Gegen diese Krankheit zum Tode wollte Hans Weigel Straßendemonstrationen veranstalten.

Inzwischen erfolgte jedoch der von Karl Kraus in den vorvorletzten Tagen der Menschheit „längst erwartete Gegenstoß“ durch den ORF. Mit Hilfe bunter Bildschirmmagie ließ er das geschlossene, entweihte, für die österreichische Literatur unentbehrliche Cafe Central auferstehen,

schmückte es mit Makart- Palmen und jenen Säulenbündeln, die einst der unerschöpflichen Phantasie des Votiv kirchen-Barons Ferstel entsprungen waren, und verdonnerte schließlich Prominente zum Besuch der geheiligten Stätte.

Zugegeben: das geschah nach einem ersten, erfolglosen Anlauf, bei dem man sozusagen durch die Drehtür wieder hinaus auf die Straße flog. Der zweite Versuch hingegen gelang, und das schon deshalb, weil György Sebestyėn dabei die bisher gültigste Definition des Wiener Kaffeehauses bot. („Südliche Piazza mit einem Deckel darauf.“) Und weil man Sebestyėn nicht strafweise an ein Katzentischerl setzte wie in der ersten Sendung den Dichter Torberg, sondern mit der Gesellschaft reizender Damen belohnte. An anderen Mar- mortischerln sprachen Künstler tiefsinnig über Nebensächliches und nebenbei über Tiefsinniges, pflegten also, was noch unsere Großmütter eine „Konversation“ nannten.

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