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Geliebte Luge

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Fellini, der angegraute Heide, feierte seinen sechzigsten Geburtstag, und der ORF holte ihm zu Ehren aus dem Abgrund der Zeit die 1950 entstandenen „Lichter des Varietes". Noch keine Sensation, noch kein Meisterwerk. Aber eine Gelegenheit, das Phänomen Fellini zu analysieren, denn alle Motive, die der. Meister später zu Färb-, Bild- und Tonorgien ausweiten sollte, sind hier schon angedeutet.

Noch hat Fellinis Gattin, die 'Masina, nicht herausgefunden, welche Wirkung sie mit der Darstellung schwachsinniger Verzweiflung und verzweifelten Schwachsinns („La Strada", „Giulietta und die Geister") zu erzielen vermag, aber schon kündigt sich in den Varieteszenen Fellinis Karikatur eines Vorkriegskabaretts in „Roma" an, schon entschwebt eine egoistische Schöne in; die Regionen des „Dolce Vita", schon droht eine hemmungslose Fresserei in Trimalchios Gastmahl zu entarten, wie es uns aus „Satyri-con" in Erinnerung blieb. Und alles endet mit „Amarcord", mit der Bitternis des Herzens.

„Alles auf Erden ist Lüge", ließe sich Fellinis Gesamtwerk betiteln, und weil Fellini diese Lüge, die große Illusion, das orgiastische Chaos, liebt und bejaht, haßt er jede Institution, die, weil notwendigerweise realitätsbezogen, für ein Mindestmaß an Ordnung sorgt. Die kirchliche Hierarchie ebenso wie die einstige staatliche, die nicht, wie der Faschismus, auf vorübergehender Pöbelgünst beruhte, sondern auf die Dauerfunktion des Königtums ausgerichtet war, und die zu stören die westalliierten Sieger des Zweiten Weltkriegs sich aus dogmatischen Gründen verpflichtet fühlten.

Das von Fellini so geliebte italienische Chaos bedroht seither die wichtigsten Stützpunkte der NATO und kostet seine Urheber gerechterweise laufend Milliarden.

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