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Germ und Kren

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„Ich brauch noch Germ um einen Groschen, Weinbeerl'n um fünf Kreuzer, Zucker um fünf Groschen. Safran um zwei Groschen und Neugewürz um zwei Kreuzer." Das sagt die Mutter zum Peterle in Roseggers Weihnachtsgeschichte „Als ich Christtagsfreude holen ging".

Als ich mich während der Arbeit an meinen eigenen Weihnachtsgeschichten „Vom Schnee der vergangenen Jahre" ein wenig bei der Konkurrenz umsah, was ihr zu diesem schönen und schön schweren Thema eingefallen ist, las ich auch Roseggers beispielhafte Erzählung wieder. Ich las sie in Marianne Bernhards erfolgreichem Weihnachtsbuch „Gnadenbringende Weihnachtszeit", München 1975.

Dort steht aber nicht wie ursprünglich bei Rosegger Germ, sondern Grem, und das nicht nur einmal, sondern immer, und das schon in der 6. Auflage, tinverbessert und unverbesserlich Grem.

Beim ersten Vorkommen ist das an Creme erinnernde Wort mit einer Erklärungversehen: Grem (Bierhefe). Der deutsche Setzer wird sich gedacht haben, Germ könne es wohl nicht heißen, weil er sich an einem anderen, ebenfalls in Roseggers Text vorkommenden österreichischen Wort, nämlich Kren für Meerrettich, orientierte. Weil es also Kren und nicht Kern heißt, darum muß es auch Grem und nicht Germ heißen.

Das also ist des Pudels Kren! Was aber so herausgekommen ist, ist mehr als ein bloßer Tippfehler. (So wie etwa in vielen Seminararbeiten an unseren Universitäten von jenem bekannten deutschen Philosophen Immanuel Knat die Rede ist.) Der Setzer hat mit Grem (nach Kren) etwas getan, was die Sprachwissenschaft einen „falschen Reihenschritt" nennt. Auch bietet die Wissenschaft für diese Erscheinung den Terminus „Metathese" an.

Im übrigen kommt auch uns Österreichern vieles an Roseggers Erzählung fremd und wje aus einem anderen Kulturkreis vor. Rosegger nennt etwa die folgenden Festtagsgerichte: Speckfleck, Nierenlümperl, Knödelfleisch mit Kren (da haben wir's), Zuckernudeln, Schmalzkoch mit Weinbeerl'n und Safran.

Ich, Sohn eines Müllers und Bäckers und Germanist, möchte niemanden, auch nicht die deutschen Freunde, verwirren, muß aber hier doch erwähnen, daß die österreichische Aussprache des Wortes ursprünglich Gerem gelautet hat, also zweisilbig war und dem reichs-deutschen Druckfehler gar nicht so unähnlich gesehen hat. Das zweite „e" zwischen den Konsonanten „r" und „m" nennt die Mundartkunde einen sekundären Sproßvokal, auch Svarab-hakti oder Anaptyxe.

Diese Fremdwörter sind nun freilich etwas fremder als die Wörter Germ und

Kren, sie stammen nämlich nicht aus dem österreichischen, nicht einmal aus dem Deutschen, sondern aus dem Sanskrit und dem Griechischen . . . Doch nur keine Angst, ihr lieben Kannitver-stans, eure Formfünef (ür fünf'islanap-tyktisch, da habt ihr's.

Mein Vater hat noch die Zeit vor dem Gerem und dem Germ erlebt und in seinen frühen Jahren noch das Backen mit Anstellsauer, auch Urer genannt, betrieben. Erst später ist er auf Germ übergegangen. Davon hat er in seinem langen Bäckerleben sicherlich einige Tonnen verbraucht.

Einige hundert Kilo habe ich selbst davon im Laufe meiner Gymnasialzeit beim Kornpointner am Kaiser-Josefs-Platz in Wels geholt und mit dem Autobus nach Hause gebracht. Beim Germ kenne ich mich aus. Ich stamme gewissermaßen aus einem Germersheim, Gremersheim, wie es in Deutschland heißen muß.

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