Europäisches Geschick als universalen Geschichtsablauf mißverstanden zu haben, ist der keineswegs originelle Grundzug eines erneut aufgelegten Werks des Juristen Eugen Rosenstock-Huessy (1888 bis 1973).
Seine Darstellung sieht den (europäischen) Menschen von verfremdeter Naturhaftigkeit die Stufen einer gottdurchdrungenen Entwicklung emporklimmen. Als heilsgeschichtliches movens gilt ihm ein im Mittelalter einsetzender fortwährender Revolutionsprozeß, als dessen letztes Ergebnis sich die Vorherrschaft russisch-amerikanischer Wirtschaftsgesinnung zeigt.
Der Autor des im Jahre 1931 erstveröffentlichten Buches verwendet freilich keine Bemühung darauf, derartige historische Metaphysik zu begründen; er setzt sie voraus. Dagegen unternimmt er eine großzügige, völlig quellenferne Physiologie des eschato-logischen Geschehens, die ein schwer zu durchdringendes Gewirr von scharfsinniger Analyse und simplem Wortspiel darstellt.
Die Diagnose postnationalen und postrevolutionären Endzustands der Geschichte darf im Lichte der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wohl als widerlegt gelten; die optimistische Vision des universalen Sabbat scheint an der europäischen Gegenwart hoffnungslos zu stranden.
DIE EUROPÄISCHEN REVOLUTIONEN UND DER CHARAKTER DER NATIONEN. Von Eugen Rosenstock-Huessy. Brendow Verlag, Moers 1987. 584 Seiten, kart., öS 232,40.
