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Gewichtiges Kanzlerwort

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Wie intensiv ein Volksbegehren, wenn man will, beraten werden kann, beweist das Atomvolksbegehren 1980. Und es zeigt auch, wie zweischneidig Argumente sein können.

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Wie intensiv ein Volksbegehren, wenn man will, beraten werden kann, beweist das Atomvolksbegehren 1980. Und es zeigt auch, wie zweischneidig Argumente sein können.

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FURCHE: Seit Dezember 1980 wird das Volksbegehren zur Aufhebung des Atomsperrgesetzes im Parlament beraten. In 18 Monaten haben ganze elf Sitzungen stattgefunden, eine Studienreise nach Frankreich wurde unternommen. Ist ein Ergebnis abzusehen?

KURT HEINDL: Das scheint so zu sein, als wollen wir das über die Wahlen schieben. Die lange Dauer der Verhandlungen im Unterausschuß ergibt sich aber aus der Absicht und dem Bemühen aller Fraktionen, wirklich alle uns zugänglichen und uns notwendig erscheinenden Informationen einzuholen. Das Problem, daß wir so wenig Sitzungen haben, ist nicht damit zu erklären, daß wir das auf die lange Bank schieben wollen. Allein die Fülle des Materials, das wir bisher schon zusammengetragen haben, der Informationen, die wir uns auch außerhalb der Sitzungen beschafft haben, zeigt die intensive Bearbeitung dieser Materie. Wir wollen uns nie mehr den Vorwurf machen lassen, daß man sich besser hätte informieren sollen.

FURCHE: Sind Sie der Meinung, daß dem Begehren der 422.431 Unterzeichner vom November 1980 Folge geleistet werden wird?

HEINDL: Ich kann nicht sagen, was die Meinung des Ausschusses sein wird, nicht einmal die meiner Fraktion. Ich kann nur meine Meinung sagen: Nach meiner Auffassung haben sich viele Dinge in den letzten Jahren geändert, die dem Wunsch der Unterzeichner durchaus entgegenkommen würden. Eines ist unser Ziel: Wir wollen nicht die Entscheidung einer Partei allein, denn das ist kein parteipolitisches Problem. Daher soll man nicht, so gern ich es hätte, schon entscheiden.

FURCHE: Gibt es jetzt durch das Volksbegehren gegen das Konferenzzentrum einen neuen Aspekt ?Da haben über 1JMillionen unterschrieben, aber, so die

Interpretation des Kanzlers, die 75 Prozent, die nicht teilgenommen haben, seien für den Bau. Beim Atomvolksbegehren haben über 400.000 unterschrieben, nur knapp über acht Prozent der Stimmberechtigten waren dafür. Damit wären, nach dieser Lesart, über90Prozent gegen eine Aufhebung des Atomsperrgesetzes.

HEINDL: Die Verfassung schreibt eine Mindestgrenze an Unterschriften vor. Je mehr den Willen kundtun, umso mehr Gewicht steht dahinter, sich mit dem zu beschäftigen. Aber ich könnte mich mit der Materie nicht intensiver beschäftigen, ob nun 400.000 oder zwei Millionen unterschrieben haben.

FURCHE: Waren somit auch 90 Prozent gegen die Aufhebung des Atomsperrgesetzes ?

HEINDL: Wenn man es so schwarz und weiß darstellt, mag das schon so sein, wie Sie es sagen ...

FURCHE: Wie es der Bundeskanzler sagt. ...

HEINDL:... Ich sehe es nur anders: Es ist viel leichter, Men-

\ schen zu motivieren, gegen etwas als für etwas zu sein. Noch dazu ist im Energiebereich ein sehr breiter Informationsmangel gegeben. Ich bin auch der Meinung, daß in Sachen Konferenzzentrum die Informationsbreite in der Öffentlichkeit nicht gegeben ist. Die meisten kennen die Detailproblematik nicht. Ich glaube daher, daß man gut beraten ist, das wirklich genau zu behandeln, so wie es wir tun. Aber die beiden Volksbegehren sind für mich nicht vergleichbar.

FURCHE: Warum? In beiden Fällen handelt es sich um eine komplizierte Materie, in beiden Fällen haben große Organisationsapparate eine Rolle gespielt.

HEINDL: Da muß ich widersprechen. Beim Konferenzzentrum hat eine große Partei mit ihrem ganzen Gewicht gearbeitet. Informieren Sie sich, was in vielen. Orten der Fall war! Daß man die Leut' mit dem Autobus abg'fangt hat vor der Kirche, ist bei anderen Volksbegehren nicht der Fall gewesen...

FURCHE: Da hat es organisierte Betriebsaktionen gegeben, auch mit Autobussen. Und der Gewerkschaftsbund ist ja nun keine ohnmächtige Organisation ...

HEINDL: ...hat als Gewerkschaftsbund nicht agiert. Man hat einen grundsätzlichen Beschluß erlassen, aber man hat nicht gesagt, jetzt organisiert, daß d'Leut' hing'führt werden. Das hat man den Betriebsräten überlassen. Das ist nicht vergleichbar, aus verschiedenen Gründen. Ich werde Ihnen noch einen Grund sagen: Vergessen Sie nicht, daß bei dem Volksbegehren zur Aufhebung des Atomsperrgesetzes parallel ein Volksbegehren gelaufen ist von der Frau Schmitz.

FURCHE: Das aber für einen Umbau...

HEINDL:... oder gar nicht.

FURCHE: Nein, zum Umbau Zwentendorfs. Und auch bei diesen beiden Volksbegehren hat eine Partei, nämlich die FPÖ, aufgerufen, weder das eine noch das andere zu unterstützen. Könnte damit nicht die kleine Oppositionspartei jetzt ebenso berechtigt behaupten: Wir haben zur Nicht-teilnahme aufgefordert, daher sind 90 Prozent dagegen, daß sich bei Zwentendorf etwas ändert?

HEINDL: Ich bleib dabei, ich kann's nicht vergleichen. Jedes Volksbegehren ist aus der Situation heraus, von der politischen Motivation und den Trägern her verschieden zu bewerten.

FURCHE: Woher die Unterschriften kommen, wie sie zusammenkommen: Dieses Kriterium kennt die Verfassung nicht.

HEINDL: Da haben Sie recht. Ich kann Ihnen nur meine Meinung dazu sagen. Man kann es nicht vergleichen. Und dann der Aufruf des Kanzlers, der ja da war, nicht hinzugehen...

FURCHE: Darf ich nochmals an die FPÖ erinnern...

HEINDL: Einverstanden, ich will die kleinere Partei nicht abqualifizieren: Aber' wenn der Kanzler der Republik, auf den das Ausland auch hört - und zwar mehr als manche hier in Österreich glauben —, aufruft, dann hat das ein anderes Gewicht. Das muß man bei allem Respekt, daß Meinungsäußerung gleich Meinungsäußerung ist, schon sagen. Man gewichtet halt. Die starke Äußerung Kreiskys „Geht nicht hin!**, dieser Appell, steht im Raum, auch wenn die Verfassung nichts vorsieht, ob so etwas zu gewichten ist. Das ist eine politische Interpretationsfrage.

Das Gespräch mit Abg. z. NR Kurt Heindl. dem SPO-Fraktionsführer im parlamentarischen Unterausschuß zur Behandlung des Atomvolksbegehrens, führte Hannes Schopf.

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