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Ob sich über Geschmack streiten oder gerade nicht streiten lässt (der Lateiner prahlt in dieser Hinsicht gern mit dem Diktum De Gustibus non est disputandum), darüber kann man trefflich streiten. Die einen werden das Erweckungsspektakel in der Wiener Stadthalle, bei dem ein US-amerikanischer Prediger den ehemaligen und mutmaßlich zukünftigen Kanzler zum Heilsbringer erklärte und vor einer wogenden Masse evangelikal-charismatischer Christen segnete, als eher verstörend erlebt haben. Die anderen als ultimatives Zeichen eines endlich aus seiner Lethargie erwachenden Christentums.

Ich habe es ja generell nicht so mit Massenaufläufen. In der Masse geht man zwar auf, aber man geht auch ziemlich pronto unter: Differenzen werden weggewischt, Identitäten hinweggeblasen, kritische Zwischentöne einfach weggegrölt. Bei Herbert Grönemeyer kann das ja noch vertretbar sein (zumindest für jene, die diesen musikalischen Gusto teilen), aber in Politik und Religion wird das zum Problem.

Zum Beispiel dann, wenn man sich aus einer Mischung aus Neugier und Krise heraus an einen Marienwallfahrtsort begibt und ein paar Fragen stellt. Natürlich, der Spirit ist unglaublich, das Gemeinschaftsgefühl überwältigend; Augen strahlen, Wangen glänzen, ehemals heimatlose Menschen finden auf einen gangbaren Weg zurück. Aber geschehen auch wirklich Wunder hier? Braucht es das überhaupt? Und braucht es diese ganze Geschäftemacherei rundherum?

„Du spuckst Gift“, heißt es dann recht rasch. Der Zweifel als Teufel, die Kritik als Schlange, der (hinter-)fragende Mensch als bereits gefallener – und eine Religion, über die man nicht mehr streiten darf: So bitter, so giftig kann Glauben manchmal sein.

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