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Gleichheit wo

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Was Gleichheit? Weil wir auf den Barrikaden für sie sterben wollten? Weil der, dem sie versagt blieb, sie im Jenseits sich erhofft? Sie ist dennoch nur als Stufe hinauf zu neuer Ungleichheit erträglich, und bedroht, sobald errungen, die Besitzer mit Verzweiflung.

Denn nicht vom Brote lebt der Mensch allein. Er hat auch Durst nach fremdem Sein, der nur am Brunnen der Ungleichheit zu löschen. Auf Körperebene schon, auf der der Zellen, herrscht dieser Wille zur Macht. Stufen der Werte dienen ihm auf der Ebene des Geistes. Hier nur ist Glück, ist Sinn des Lebens, das keinen andern für uns hat. Doch dieser Wille, der Schicksal und Tod überwindet, ist ohne Selbstsucht. Nur um dem Gewöhnlichen Spiegel zu sein, strebt er dem Außerordentlichen nach. Im geistigen Raum, wie im körperlichen, ist kein Oben noch Unten. Höherstellen ist Illusion. Es verachten sich gegenseitig Doktor und Bauer.

Ein gewöhnlicher Mensch zu sein, keiner erträgt den Gedanken. Keiner auch den: der andere sei es nicht. Wissen und Können eines andern mag uns beschämen, aber wer ertrüge die Scham vor anderem Sein? Kaiser und Papst und Genie, sie spielen hier ihre Rollen. Doch nur du existierst! Wiederholst das Wunder der Erde: Inmitten toter, sich drehender Gestirne, trägst du, und du allein, völlig ungleich den andern, das Leben.

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