7073652-1993_10_14.jpg
Digital In Arbeit

Goethes Ehe

Werbung
Werbung
Werbung

Der Sohn einer Aufsteiger- und die Tochter einer Absteiger-Familie begegnen einander. Der Aufsteiger, Abkömmling von Bauern und Handwerkern, nun aber Geheimer Staatsrat, nimmt das Bittgesuch der „Fabriksarbeiterin” für ihren Bruder freundlich entgegen, „nimmt” sich aber als Zuschlag auch das 23jährige Mädchen: So geschehen vermutlich am 12. Juli 1788 zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Christiane Vulpius. Das war Ausgangspunkt einer langen Entwicklung von aufflammendem Begehren zur Liebe, von der Liebe zur Güte, von der Güte zum Guten, der Aufopferung, wobei die Frau dem Mann in dieser Entwicklung immer um einige Nasenlängen voraus ist.

Wer hat von den beiden mehr zu tragen? Sie, die ,31umenmacherin”, die unter die Intellektuellen gefallen ist, deren kritische Unruhe die Kleinstadt zwar zu einem geistigen Zentrum, zugleich aber auch zu einem intriganten Traschnest macht? Oder er, der, zwischen der lockeren Lebensform des 18. Jahrhunderts und der bürgerlich gesetzlichen des 19., verkannt und bespöttelt den Weg der per- / sönlichen Verantwortung geht? Aber die beiden rechten nicht miteinander. Das Band wird durch wechselseitige Dankbarkeit unlösbar. Was die beiden hierbei charakterlich leisten, wird erst dann ganz offensichtlich, wenn auch beider Schwächen und Mängel deutlich hervortreten.

All das hat der Historigraph Eckart Kleßmann kenntnisreich, aber auch mit vorbildlichem Geschmack ausgebreitet. Dieses Buch ist zugleich ein nachdenklich stimmender Ausflug in die Realgeschichte einer Epoche, deren Widersprüche vielleicht nicht minder schrecklich und blutig waren als die der unseren. Doch Dank der stillen Tapferkeit einer Frau geht von dem Buch ein sanfter Trost aus.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung