Hegels Sozial- und Staatsphilosophie ist in den letzten Jahren immer wieder neu kommentiert worden. Parallel etwa zu der aufsehenerregenden Kritik von Seiten Frankreichs „Nouvelle Philosophie“ hat der sogenannte „kritische Rationalismus“ die Dialektik immer schon argwöhnisch und negativ in den Blick genommen.
Ernst Topitsch unterwirft das Denken Hegels einer besonders herben Kritik, die die Philosophie des deutschen Idealisten im Zusammenhang mit der europäischen Philosophiegeschichte auf einen mythischen Hintergrund und Ursprung zurückführt.
Eben dies ist aber, meint Topitsch, dafür verantwortlich, daß Hegels Sozialphilosophie den Boden für totalitäre Systeme von Rechts und Links vorbereitet habe. Gewiß sei Hegel weder für Nationalsozialismus noch für Kommunismus verantwortlich, aber diese totalitären Lösungen seien auch keineswegs als bloße „Betriebsunfälle“ zu verharmlosen. Hegels sozialphilosophische Leh
ren haben nach Topitsch eine nicht zu unterschätzende Rolle im Kampf gegen die liberale Demokratie gespielt.
Topitsch geißelt des weiteren genauso Hegels persönlichen Opportunismus (unter Berufung auf Zeugnisse der Zeitgenossen) wie er Hegels abtrünnigen Schüler Marx aufs Korn nimmt.
Wenn auch Topitsch’ Stoßrichtung weniger den linken Adepten der Hegelschen Dialektik gilt, will er doch gerade hier aufzeigen, daß diese Dialektik ein Bündel beliebig manipulierbarer Leerformeln darstellt, das sich vorzüglich als machtpolitisches Instrument handhaben lasse.
Wenn Topitsch sicherlich in seiner Argumentation zum überziehen und Vergröbern neigt und einmal mehr das Unverständnis des sogenannten „kritischen Rationalismus“ für die Dialektik offenbart, bleibt sein Buch doch eine ernst zu nehmende Provokation.
DIE SOZIALPHILOSOPHIE HEGELS ALS HEILSLEHRE UND HERRSCHAFTSIDEO- LOGIE. Von Ernst Topitsch. Piper-Vcrlag, München. 1981. 140 Seiten. Pbck, öS 107.80