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Heimweh nach verflogener Lust

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Ich habe Heimweh nach längst Verflossenem.

Aber ich bin kein „Rückschrittler“, weil ich glaube, daß die Zukunft auch nicht mehr das ist, was sie einmal war. Nein, in mir regt sich eine ganz andere Sorge: daß wir, insbesondere wir Städter, sehr bald völlig den Sinn verloren haben könnten, zu feiern und zu festen.

Ja freilich: Im Fasching lassen wir uns manches einfallen. Aus Deutschland: Wir lassen Faschingsprinzen und Mädchengarden zu Hunderten bei uns einfallen. Für manche Faschingsnarren (pardon: Karnevalsnarren) ist Mainz am Faschingdienstag die Hauptstadt Österreichs.

Ich habe nichts gegen deutsche Karnevalsbräuche. Ich habe aber alles für die Erhaltung und Pflege eigenständigen, gewachsenen Brauchtums.

Peter Rosegger schildert in seiner humorvoll-volkstümlichen Art, wie in seiner Heimat in Alpl bei Krieglach in der Steiermark Fasching gefeiert wurde. Wie die Sitten des Heidentums im vielfäl-

tigen ländlichen Brauchtum, das oft von Tal zu Tal unterschiedlich gelebt wurde, manchmal unmittelbar in die Gebräuche der Kirche übergingen. Seine köstlichen Erzählungen „Volksleben in Steiermark“ (Das Jahr) sind vor kurzem im österreichischen Agrar-verlag neu herausgebracht worden.

Peter Rosegger, dessen Schilderungen ich gerne wieder Gegenwart werden ließe, beschreibt auch die Sitte des „Faschingbegrabens“. Alljährlich hat die Landbevölkerung der engeren Heimat Roseggers im letzten Jahrhundert am Aschermittwoch den Fasching mit viel Spaß und Stegreiftheater begraben lassen.

Mir scheint, eine böse Abart dieses Brauches greift um sich. Man begräbt den Fasching bevor er noch richtig ausgebrochen ist. Wohin sind die alten, fast zügellosen und letztlich doch von Form beherrschten Belustigungen?! Ja, ich habe Heimweh nach längst Verflossenem.

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