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Hurra, das Nullbuch!

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Hochverehrte Festversammlung!

Wenn wir uns in einer Zeit des allgemeinen Wertzerfalls wieder auf die unvergänglichen Schätze unseres Volkes besinnen, ist es unerläßlich, darauf hinzuweisen, welche segensreiche Rolle das Nullbuch als die am weitesten verbreitete Form der Literatur in Österreich spielt.

Wir haben die Bezeichnung Nullbuch gewählt, weil sie ähnlich wie Nullwachstum und Nulltarif der neuen Semantik entspricht und dem Nichtseienden die Begrifflichkeit hoch- gradiger Existenz verleiht. Das Nullbuch beseitigt die soziale Ungerechtigkeit zwischen privilegierten Leserschichten und verarmten, deklassierten Feimsehkonsumenten durch progressive Chancengleichheit. Zwischen Buch und Nullbuch bestehen keine Klassenunterschiede mehr. Sie werden verstehen, daß die Förderung des Nullbuches ein sehr wesentlicher Faktor unserer künftigen Kulturpolitik sein muß.

Die geistige und körperliche Gesundheit der Bevölkerung kann durch nichts mehr gefördert werden als durch das Nullbuch. Aber auch ideologische Verwirrungen, die verwerfliche Desorientierung der Jugend, die politische Unzuverlässigkeit der sogenannten Wechselwähler, unmäßige Ansprüche ausufernder Phantastik und letzten Endes die drohende Akademikerschwemme können wirksam durch die Verbreitung des Nullbuches eingedämmt werden. Österreich als das Paradies glücklicher Nullbuchliebhaber leistet damit seinen Beitrag als Brücke der Völker und zum Frieden in der Welt. (Starker Applaus.)

Die Schriftsteller werden möglicherweise weniger begeistert sein. Wir werden jedoch keine Härtefälle zulassen und die Mittel der Literaturförderung als Umschulungsbeihilfen für Animateure im Sozialtourismus einsetzen.

Jeder von Ihnen erhält nunmehr zum Nulltarif das Nullbuch des Jahres. (Applausorgie. Ende der Protokollschrift.)

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