6846341-1976_22_16.jpg
Digital In Arbeit

Interview mit Fepolinski & Waschlapski

Werbung
Werbung
Werbung

Themen verfolgen ihre Autoren mitunter jahrzehntelang. Ein solches Thema hat seinen Autor und damit auch gleich den passenden Verleger „voriges Jahr zu Weihnachten“ eingeholt. Fritz Molden schrieb Erinnerungen nieder. Richtiger: Er sprach sie auf Tonband. Aber sie sind alles andere als Erinnerungen eines Verlegers. Denn zu dem Zeitpunkt, mit dem sein Rückblick endet, wußte Molden, wie er selber sagt, „noch nicht einmal, was ein Verlag ist“.

Nicht, weil er damals noch gar so jung war, sondern weil seine Generation im allgemeinen und junge Menschen seiner Denkweise im besonderen damals ganz andere, sehr viel existentiellere Probleme hatten. Der Mann, zu dessen Namen jedem unter Dreißig, der nicht gerade Zeitgeschichte studiert, heute sicher nur das Stichwort „Verleger“ einfällt, hat nämlich im österreichischen Widerstand gegen Hitler eine keineswegs unwesentliche Rolle gespielt. Als Kurier des österreichischen Widerstandes „reiste“ er mehrmals in die Schweiz und wieder zurück, letzteres einmal nachts mit dem Fallschirm. Fritz Molden hat als Widerstandskämpfer etwa im selben Stil agiert wie später als Verleger: mit einer sehr persönlichen Kombination von Intelligenz und Draufgängertum. Was dabei herauskam, war stets ein kalkuliertes Risiko. In seinem späteren Leben hat er dabei dem Zufall geringeren Spielraum eingeräumt als mancher seiner Neider wahrhaben möchte. Der Hitlergegner Fritz Molden allerdings hat sein Risiko mehrmals so knapp kalkuliert, daß sein Uberleben nur noch Zufällen zu verdanken war.

Dreißig Jahre mußte das eigene Leben als Thema dem Autor nachlaufen, um ihn einzuholen. In Moldens Arbeitszimmer im Grinzinger Verlagshaus ist der Krieg sehr weit — Bücher, eine Glaswand über die ganze Raumbreite, dahinter eine grüne Wiese. Gibt es das überhaupt: Gewalt? Aber angesichts der „525 oder 530“ Bücher an der Wand, die Molden im Jahrzehnt seiner bisherigen Tätigkeit als Verleger produziert hat, mag er mit zunehmender Deutlichkeit das Fehlen eines, seines, Titels gespürt haben. Ein Verleger, der über dem Drucken fremder Werke nicht dazukommt, das auszusprechen, was er selber zu sagen hat? Das Thema kam seinem Mann näher und holte ihn ein. Das Buch wäre auf jeden Fall geschrieben worden. Auch, wenn mit keinem Interesse zu rechnen wäre.

In der Personalunion des Autors mit dem Verleger ist ersterer noch einmal für sich eine Personalunion. Eine Verbindung zweier Seelen in einer Brust, „einer schwachen und einer weniger schwachen“. Offenbar war schon in der frühen Kindheit Fritz Moldens dessen weniger schwache Seele eifrig damit beschäftigt, Oberhand über die schwache zu bekommen. Denn schon sein Vater prägte für ihn den eigenartigen Spitznamen „Fepolinski und Waschlapski“. Das war von Heines Gedicht „Zwei Ritter“ abgeleitet, wo es heißt:

Krapülinski und Waschlapski, Polen aus der Polackei, Fochten für die Freiheit, gegen Moskowiter-Tyrannei.

Der Waschlapski kennzeichnete den schwächeren, der Fepolinski (von wegen: Fritz P.) den heldischeren Teil. Und „Fepolinski und Waschlapski auf dem berstenden Stern“ heißt das Buch von Fritz P. Molden. Der freilich ein „Fepolinski und Waschlapski aus der fernen Walachei“ war, woher, auf dem Umweg über Schlesien, seine Vorfahren kamen.

Hat sich der Fepolinski endgültig durchgesetzt? Oder meldet ein mitleidsvoller Waschlapski Ansprüche an, wenn Fritz Molden von den „zerschlagenen Hoffnungen“ der Autoren spricht, die eine Reduzierung seines Verlagsprogramms auf jene 35 bis 36 Titel (ohne Taschenbücher), die er für sich als Idealzahl betrachtet, zur Folge hätte? Faktum ist: Er produziert ja doch Jahr für Jahr um ein Beträchtliches mehr (heuer 49 Titel ohne Taschenbücher). Wahrscheinlich kann ein Nur-Kaufmann nicht Verleger sein, und sicher ist Fritz Molden eben deshalb Verleger, weil er alles andere als ein Nur-Kaufmann ist. Ein Verleger ohne Wasch-lapski-Komponente — eine cont.ra-dictio in adjecto?

Der Werbeaufwand von über zehn Prozent vom Umsatz in den ersten Verlagsjahren, den keiner auf Dauer durchhielte, der aber Moldens starke Stellung auf dem deutschsprachigen Büchermarkt begründete: das war ganz zweifellos Fepolinski. Wobei im kalkulierten Risiko sehr viel mehr Sicherheit war als einst beim Fallschirmabsprung über einem nächtlichen (und noch dazu über dem falschen) Alpental. Es gelang denn auch eine Punktlandung auf dem Markt: Mit gegenwärtig 150 Millionen Schilling Nettoumsatz glückte Molden die Profilierung als deutschsprachiger Verlag. Die gesunde „home base“, sprich: die Pflege von vorzugsweise in Österreich interessierenden Titeln, wurde erst später in Angriff genommen. Molden verkauft heute etwa den gleichen Prozentsatz seiner Bücher in der Bundesrepublik (und auch in der Schweiz) wie ein bundesrepublikanischer Verlag (rund 88 Prozent), wenn man die für den heimischen Markt hergestellten Titel außer acht läßt. Bezieht man die Austriaca ein, sind es noch immer 75 Prozent.

Besteht trotzdem ein Vorurteil gegen österreichische Verlage in der Bundesrepublik? Fepolinski antwortet: „Nur, wenn man unverläßlieh oder unexakt ist!“

Der ganze Molden beantwortet die Frage, warum er eigentlich Verleger geworden sei, so: „Weil ich mir für meine erwachsenen Jahre einen Beruf suchen wollte, der einem auch geistig Freude machen und Aufgaben stellen soll!“

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung