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Jüngers Botschaft

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„Es ändern sich nicht die Werte, wohl aber die Wertungen", steht auf Seite 211 des neuen Buches von Ernst Jünger zu lesen. Der Satz wirft ein Licht auf die Denkungsart dieses wohl größten Schriftstellers deutscher Zunge. Seine wortkargen Betrachtungen treffen die geistige Substanz. Sie sind vorurteilslos im Betrachten des Wandels, aber kompromißlos, wenn es darum geht, zwischen dem Menschlichen und dem Modischen zu unterscheiden.

Die Sammlung kurzer Aufzeichnungen wirkt auf den ersten Blick aphoristisch. Aber Jünger will nicht durch frappante Kürzung beeindrucken. Er scheut die Pointe. Seine Knappheit wirkt streng, doch der Stil charakterisiert den Mann.

Es ist nicht seine Art, viele Worte zu machen. Gleichwohl scheut er sich nicht, dem von manchen Puritanern des Denkens verdammten Feuilleton seine Reverenz zu erweisen: „Ein Feuilleton kann nach hundert Jahren noch ansprechen, zu träumen geben, wie am Tage, an dem es erschien."

Es ließe sich aus der Sammlung von Notizen viel zitieren, etwa das Luther-Wort „Wer mit einem Scheißdreck rammelt, er gewinne oder verliere, er gehet beschissen davon", ein Satz, den manche Be-rufsdebattierer des Fernsehens

beachten könnten. Oder: „Wenn die Deutschen zusammenkommen, um ein Fest zu feiern, zeigen sie sich statt dessen gegenseitig ihre Wunden vor."

Jüngers Notizen gelten, wie er selbst schreibt, „dem musischen Schaffen". Sie fassen mehr. Sie berühren, vorurteilslos, aber unausgesprochen immer mit einem Fragezeichen versehen, Existen-zielles. Jünger weiß, daß wir wenig genug wissen. Sein Buch bestärkt die Skeptiker und die zur Selbstprüfung bereiten Menschen unserer Kultur, standhaft zu bleiben.

AUTOR UND AUTORSCHAFT. Von Ernst Jünger. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1984. 278 Seiten. Ln., öS 280,-.

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