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Kein sanftes Ruhe- kissen į

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Inspiriert 1st der Titel von Sedl- mayers „Verlust der Mitte". „Mitte ist das kraft des Geistes Ausgeglichene, nicht das Extreme. Aber es liegt im Wesen der Mitte, daß sie nicht greifbar ist. Die Mitte glüht unter dem Druck alles dessen, was auf ihr lastet.“ Diese Sätze zeigen, daß für Stix die Mitte kein sanftes Ruhekissen in einem ästhetischen Reservat bedeutet. Das Kunstwerk wird erlitten, nicht entdeckt und nicht bloß gemacht. Experimente sind nur Prüfung des Materials, meint Stix mit Christine Busta. Was man also mit „der gesuchten Mitte“ vorschnell als konservative Repression abtun könnte, erweist sich als höchst dynamisch. „Dynamisch aber nicht als hektisches, revolutionäres Geschehen oder doktrinäre Gewaltsamkeit, sondern im Sinn des Austragens schmerzhafter Spannungen und Lasten.“ Stix stellt das unter Beweis, indem er etwa im letzten Kapitel über österreichische Lyrik nach 1945 den Bogen von Celan bis Rühm spannt, für beide Gerechtigkeit suchend.

Gottfried Stix, Germanist an der Universität in Rom, ist ein stiller, ungemein verständnisvoller und solider Interpret von Dichtung. Seine letzte Veröffentlichung über Trakl und Wassermann bewies das bereits. Im vorliegenden Band sieht er die Mitte in einem österreichertum, wie es sich bei Stifter und Joseph Roth, die beiden ersten Kapital, zeigt, eine nicht greifbare, aber doch angesteuerte Mitte, die ihn dann im letzten Kapitel zu kurzen, aber intensiv erlebten Interpretationen von Celan, Bachmann, Lavant bis zu Rühm und Artmann führt. Ihre geistige Mitte steht in Bustas Gedicht von der Sprache: „Die Sprache, der du im Wort bleibst, wird nicht geredet, sie wird erlitten.“

DIE GESUCHTE MITTE. Skizzen zur österreichischen Literatur. Von Gottfried Stix. Edizioni di storia e letteratura, Rom 1974, 95 Seiten.

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