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Kindheit in Budapest

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Neben den häuslichen Sprachstu- dien und dem Schulunterricht um- faßte das obligate Ausbildungspro- gramm der Kinder zusätzliche Mu- sik- und Sportstunden.

Nach dem Mittagessen wurden zuerst die Hausaufgaben erledigt, bis spätestens fünf Uhr nachmit- tags. Dann gab es zweimal wöchent- lich Klavierunterricht. Später, als Freude am Spiel und Erfolg bei György sich nicht einstellen woll- ten, versuchten es die Eltern mit Akkordeon. Sie erhofften sich da- von gesellige Kontakte für den scheuen, verträumten Jungen: Viel- leicht würde er öfter zu Festen ein- geladen; er könnte zum Tanz auf- spielen und würde beliebt sein. Al- lein, diese Hoffnung blieb vorerst unerfüllt. Nicht Musik, sondern die Musen der Dichtkunst zogen ihn frühzeitig in ihren Bann.

Vielleicht hatte ihn außerdem der allzu frühe Opernbesuch erschreckt - die Eltern bevorzugten dabei Puc- cini, Verdi und Wagner. Doch ge- rade das Grelle, Grandiose, Über- mächtige irritierte ihn sehr, die In- tensität des Leidens in der Oper er- schien ihm unerträglich. Die so ge- wachsene Antipathie begriff auch Beethovens heroisches Pathos mit ein. Kammermusik dagegen und die gedämpften Töne Mozarts lernte er im Laufe der Jahre sehr zu schät- zen. Daß die mehrmals wöchentlich zu absolvierenden verschiedenen sportlichen Aktivitäten dem eher poetisch gestimmten sensiblen Jun- gen mehr Pflicht als Freude be- deuteten, ist demnach verständlich.

Im Sommer spielte man Tennis und ging schwimmen, im Winter eislaufen, und zwar, der Abhärtung wegen, in kurzen Hosen und Knie- socken. Gegen die schlimmste Käl- te wurden die rotgefrorenen Schen- kel dick mit Glyzerin eingerieben!

Auch Florettfechten gehörte zur körperlichen Ertüchtigung, und so- gar das Boxen sollte György lernen. Er sei sehr breitschultrig gebaut und deshalb dafür gut geeignet, befand der Kinderarzt, und die Eltern meinten, es kämen schlechte Zei- ten, deshalb müsse der Sohn lernen, sich zu wehren. Zudem war er ein Bub, der nie zurückschlug, wenn er in der Schule angerempelt wurde. Wie sollte er sich so durchs Leben schlagen? Doch auch dieser gutge- meinte Versuch scheiterte; über die Anfangsgründe des Boxens, die Hai - tungen und die Abwehr, gelangte György nie hinaus.

Aus „György Sebestyen - Leben und Werk' von Helga Blaschek-Hahn, das soeben im Verlag Styria, Graz, erschienen ist

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