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Kino-Märchen

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Bald kommt Weihnachten, das Fest des Friedens und der Liebe, aber in den Wiener Kinos merkt man zunächst noch nicht allzuviel davon. Es wird weiter fernöstlich gerauft geheimdienstlich gekillt und deutsch oder schwedisch sexgeblödelt. Nicht nur die Zeiten sind härter geworden, auch die Sitten sind es. Und wenn einst „Pater Brown“ — gar so lang ist es eigentlich doch gar nicht her?

— mit Logik und Überlegungen kriminalistische Fälle löste, so tut dies heute „Father Charlie“ in Chikago mit weitaus mehr physischer Kraft: er verbiegt Dollarstücke mit bezw. in einer Hand, prügelt ganze Gangsterbahden k. o. und rächt die Ermordung eines seiner Pfarrschütz- linge auf sehr derb-drastische Weise

— er besitzt eben „Zioei Fäuste des Himmels“, erst recht natürlich, wenn er von Lino Ventura dargestellt wird! Diese sehr harte, mit Leichen nicht sparende, dafür mit recht zweifelhaftem Humor aufgelockerte italienisch-französische Gangster- lcomödie, von Duccio Tessari größtenteils am Originalschauplatz gedreht und neben Ventura modischattraktiv mit Isaac Hayes und Fred Williamson besetzt, hinterläßt jedenfalls sehr zwiespältige Gefühle — und dies nicht nur deswegen, weil so deutlich perfekte Geschätfsspeku- lation dahintersteckt!

Nicht sehr vorweihnachtlich wirkt fluch die tschechische phantastische Komödie „Das Mädchen auf dem Besenstiel“ von Vaclav Vorliček („Wer will Jessie umbringen?“ und „Sie sind Witwe, mein Herr“) aus dem

Jahr 1971, hier durch eine sagenhaft humorlos-trockene ostdeutsche Synchronisation auf Kinderfilmniveau getrimmt. Daß diese im Original hinreißend komische moderne Hexenstory (erstaunlich, daß dergleichen „Unpädagogisches“ aus der heutiger CSSR kommt!) beim X. Internationalen phantastischen Filmfestival in Triest 1972 mit einem Spezialpreis für seinen „englisch anmutenden Witz“ ausgezeichnet wurde, kann be: der hier gezeigten Version nur Verständnislosigkeit erregen. Dafür sine die genial-einfachen Filmtricks auch jetzt noch ein herrliches optisches Vergnügen.

Die Ehre vorweihnachtlicher Stimmung im Wiener Kino rettet wieder einmal das Burgkino, das die vorletzte Verfilmung von Dickens’ „A Christmas Carol“ mit dem Tite: „Scrooge“ (aus dem Jahr 1951) in der englischen Originalfassung präsentiert. Dieses (zweifellos konventionelle — na und?) viktorianische Weihnachtsmärchen, das auch thematisch weit weniger antiquiert ist als man es ironisch abtun möchte, stammt aus der Glanzzeit des englischen Filmschaffens, der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg, als mar dort noch herrlich unterhaltende Lustspiele, grandiose satirisch-makabre Komödien und beispielhafte Dickens-Verfilmungen zu drehen verstand. Wer sich darüber ein Bild machen möchte, sehe sich diesen „Scrooge“ an — der übrigens nicht mit der gleichnamigen Musicalfassung aus dem Jahr 1970 identisch ist.

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