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Können muß man's halt

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Und Lorin Maazel kann es. Er kann es wirklich. Und er hat Humor. Er ließ nicht nur beim Neujahrskonzert fernsehwirksam die Wiener Philharmoniker schmunzelnd und achselzuckend dort scheinbar loslegen, wo sie es besser wußten, er imitierte auch bei der Ouvertüre zu „Orpheus in der Unterwelt" jene Schwertstreiche, die Jacques Offenbach (dem dieses Gedenken galt) mit dem Taktstock über das Orchester hinweg gegen die Cancantänzerinnen auf der Bühne führte, wobei Offenbach, bis ins Parkett hörbar, in den Schrei auszubrechen pflegte: „Mais tre-moussez-vous donc - Schüttelt euch, Bewegung, Tempo!"

Und ich erinnerte mich während dieses Neujahrskonzerts an jene schauderhafte „Lustige Witwe", die uns vor Weihnachten aus Berlin zugespielt wurde, und bei der die teuersten Sänger in abscheulichen Kostümen vor abscheulichen Bühnenbildern ihre Stimmen verschwendeten, weil der Dirigent nicht wußte, an welcher Stelle des Auftakts für jenen Sekundenbruchteil innegehalten werden muß, in dem das Herz aussetzt, und wo retardiert werden muß, ehe der Taumel des Walzers losbricht. Können muß man's halt, und die konnten es nicht, und die österreichischen Kritikererzählen uns, hierzulande sei man rückständig und möge sich an den Bundesdeutschen ein Beispiel nehmen, die auf jeden Schwindel, wenn er nur neu ist, hereinfallen, Gott verzeih ihnen.

Und die Wissenden gedachten bei diesem Neujahrskonzert des unersetzlichen Lanske mit Tränen, denn was war das wieder für eine grandiose Bildregie, und wie fügte das Staatsopernballett sich bruchlos und kitschlos ein in diese Ekstase aus Klang, Rhythmus, Farbe und Bewegung, und was war das doch für eine glänzende Idee, den Ausländern als Einblendung einmal zu zeigen, wie in Österreich eine Balleröffnung aussieht, denn die Ausländer wis-sen's nicht und können's nicht und sind ganz hingerissen, wenn eine österreichische Kolonie, etwa in Rom, ihnen das vorführt. Dann erscheinen lange Reportagen darüber in den lokalen Blättern, denn können muß man's halt und wir können es eben.

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