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Kulinarik des Nein

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Hier gelingt es, Melancholie und Weltüberdruß goustiös ä la carte zu servieren. Eine fein gewürzte Hoffnungslosigkeit schmeichelt dem verwöhntesten Sprachgaumen. Zu solcher kulinarischen Vollendung gehört nun freilich nicht nur eine enorme Sprachphantasie, sondern auch Selbstzweifel: „Wer hat dich eigentlich aufgefordert / dir von allem ein Bild zu machen", fragt sich der Dichter, weil er selbst fühlt, daß diese Metaphernkunst („Der Sonntag schreint Bewohner ein..."), wie suggestiv sie auch sein mag, nichts daran ändert: „An dem heftigen Glanz eines strotzend sinnlosen Morgen..."

Auf jeder Seite des Bandes findet sich eine solche Negation: Zwecklos, kein Sinn, fruchtlos, wozu noch, unbändig verdorren, Gift reif zur Ernte und so weiter. Mit solchem Trend des Nein-Sagens kann aber auch eine überraschende Haftfe-v stigkeit erzielt werden, die in einem unaufhebbar schmerzlichen Paro-xysmus kulminiert: „In toten Träumen kurze Zeit verneint / ersteht dein Tag: Als treuer Feind".

Logischerweise sucht diese Neo-romatik bei Heinrich Heines Ironie

und Sarkasmus das Vorbild für die krampf- und schmerzlösende Droge des witzigen Intellekts: „Grau teurer Freund ist alle Utopie / Nie wieder grün / des Lebens abgeholzter / Baum."

Günter Kunert ist souverän genug, dem Ratschlag Heines zu folgen und sich zuletzt selber zu ironisieren, indem er die Larmoyanz als die Chance seines großen Erfolges entlarvt:

„Was kann man tun in solcher Zeit? / Erfolgreich nur: Sich selber leid."

FREMD DAHEIM. Von Günter Kunert. Hanser Verlag, München 1990.119 Seiten, öS 202,80.

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