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Kulturgeschichte der Minderheiten

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Die literarischen Aussagen der sprachlichen Minoritäten, beziehungsweise der nationalen, ethnischen und sprachlichen Volksgruppen, wie sie im modernen Volksgruppenrecht manchmal angesprochen werden, sind oft wichtige Träger und Vermittler beachtenswerter Stimmen und Meinungen zur sozialen, politischen oder sprachlichen Lage der Minderheit. Gerade die Position der Enge mit dem oft angespannten Verhältnis zur Mehrheit bedingt die kritische Rolle der Minderheit bei der Klärung der oft undemokratischen Verhaltensweisen der Mehrheit.

Die große, repräsentativ gestaltete Anthologie „Österreichische Lyrik und kein Wort Deutsch" von Gerald Nitsche bietet diesbezüglich gelungene Querschnitte durch die Dichtung der künstlerisch oft sehr begabten Volksgruppen, die Teil des Reichtums von Österreich sind, aber in ihren Bestrebungen oft ignoriert werden.

Mit der Ausnahme der Kärntner Slowenen und der burgenländischen Kroaten sind die anderen in diesem Buch vorgestellten Gruppen fast unbekannt. Die österreichischen Zigeuner (oder besser Roma) und ihre eigenartige Kultur, die mit Elementen der Familientradition, Sprache, Religion und Musik verwoben ist, oder die in der Zeit des Nationalsozialismus fast gänzlich vernichtete jiddische Kultur in Österreich gehören ebenso wie die tschechische und ungarische Literatur in Wien, beziehungsweise im Burgenland, zu sträflich vernachlässigten Erscheinungen des geistigen Lebens in Österreich, obwohl sie aus der großen Kontinuität der kulturellen Tradition, die tief in die Zeiten der österreichischen Monarchie zurückreicht, schöpfen.

Dieses repräsentative und reich bebilderte Buch bietet aber noch mehr. Die Kapitel über die besondere Welt der Jenischen, Kärrner, Dörcher und Laninger, denen von der Gesellschaft, wie der Herausgeber schreibt, ein Platz im Abseits zugedacht war, oder der grenzüberschreitende Essay zur Situation der Dolomitenladiner in Italien, sind die wertvollen Beiträge zur Kulturgeschichte der Minoritäten in Österreich.

ÖSTERREICHISCHE LYRIK UND KEIN WORT DEUTSCH. Zeilgenössische Dichtung der Minoritäten. Gestaltet von Gerald Nitsche. Haymon Verlag, Innsbruck 1990. 216 Seiten, illustriert, öS 590,-.

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