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Land der Torten

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Österreich und Bayern haben viele Gemeinsamkeiten, auf die wir nicht unbedingt stolz sein müssen. Zum Beispiel sind wir beide in den Mehlspeisen stärker als in der Politik.

Darum möchte ich aus ganzem bayerischem Herzen Euch österreichischen Nachbarn eines wünschen: den Einzug der Sacher-Torte in die Hofburg. Deshalb müßt Ihr jetzt die selbstlos angebotene Präsidentschafts-Kandidatur des Herrn Gürtler vom Hotel Sacher durch Petitionen fördern. Nach der zurückliegenden Schlammschlacht braucht Ihr ein Kontrastprogramm: eine harte, aber faire Torten-Wahl- schlacht.

Der Weg Österreichs zurück in die volle Gunst der Welt’ geht am schnellsten über das Klischee vom Operettenstaat: Weg von der Politik, hin zum Musikanten- Stadl! Moik for President! Hias for Vicepresident!

Auch eine gutgehende Wirtin vom Weißen Rößl am Wolfgangsee als Bundespräsidentin rührt die Amerikaner stärker als ein noch so schöner Ex-Außenminister.

Während aber Lipizza- ner-Obristen noch Putsch- Pläne schmieden, Heurigen- Wirte erst ihre harben Rappen anspannen und der Chef vom Cafe Demel noch auf Asien-Tournee sein lukoni- sches Gelächter übt, hat das Hotel Sacher bereits die Initiative ergriffen. Wenn er österreichischer Bundespräsident werden will, muß der Herr Gürtler allerdings erst den Namen seines Hotels annehmen. In jedem Fall ist ja eher Sacher als Gürtler der neue Mann, dem die Welt vertraut.

Als Sacher hat Herr Gürtler nicht nur diplomatische Erfahrungen von und mit mehreren Frauen gesammelt, sondern auch auf mancher internationalen Tafelspitzkonferenz österreichischen „good will“ exportiert. Und auf den kommt es ja wieder an. Einen Staatsmann, der in der Repräsentation stärker ist als in der Politik, nennt man sowieso meist einen politischen Frühstücksdirektor. ‘

Wichtig wäre nur, daß auch die potentiellen Gegenkandidaten des Nobel-Gastronomen dazupassen. Gegen den Chef der Sachertorten könnte jederzeit ein namhafter General aus dem Lager der Mozartkugeln werbewirksam antreten. Aber von Sängern, Musikern und Schauspielern mal abgesehen, wäre auch die Gilde der rotweißroten Skiläufer oder Autorennfahrer prädestiniert. Wenntjetzt jemand einwendet, damit würde die Reputation des österreichischen Bundespräsidenten vielleicht in eine eher komische Ecke gedrängt, kann ich nur sagen: Damit hat nicht der Herr Gürtler angefangen! Darum fordere ich: Sacher — jetzt erst recht!

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