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Leben in Liedern

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Dieser lange Abend schwamm ge-wissermaBen auf zwei Wellen: Die eine tragt die Salonmusik von 1900 wieder empor, die andere spiilt aller-lei Requisiten auf die Biihne, die eben diesen Salon andeuten, der den zeitgemaBen Rahmen fiir die Schla-ger von einst abgeben soil. An sich eine hiibsche Idee. Nur muB sich der Interpret zunachst und ganz ent-schieden dariiber klar werden, wie er selbst zu beidem steht: in ironi-scher Distanz, als Liebhaber — oder als einer, dem das alles noch etwas bedeutet. Renato Capecchi, der bis vor kurzem vielbeschaftigte und be-ruhmte BaBbariton, kommt im Kostiim auf die Biihne, zunachst als eleganter junger Mann mit Stockchen, Melone und Vatermorder. Seine Partnerin ist die anmutige Enza Ferrari — als Geliebte, Braut, junge Mutter, reife Frau und Grei-sin. Gesungen wird namlich unter dem Motto „Una vita“, und gesungen werden die bereits prahistorisch an-mutenden Salonromanzen von Tosti, Gastaldon, Guercia. Frontini, Costa, Anonymes — und immer wieder Tosti. Er war der Konig der Kit-schiers und hat mehr als 800 soldier Vortragsstucke fabriziert: in engli-scher, franzdsischer und italienischer Sprache. Viele trugen diskrete Wid-mungen... Renato Capecchi und seine Partnerin am Klavier musizie-ren nicht nur, sondern sie spielen auch Theater. Naives, italienisches Theater, in einem kleinbiirgerlichen Milieu mit Tafelklavier, Landschaftsbildern auf den Paravents, Stehlampe und Trichtergrammophon

— das auch einige Solonummern zu absolvieren hat. (Es sind nicht die schlechtesten.) Aber diese Romanzen sind so trostlos banal und einander so ahnlich, daB einer ein Cocteau sein miiBte — oder eine Berberian

— um aus dieser langweiligen Mate-rie Funken zu schlagen. Vielleicht war's fur Italiener lustiger.

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