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Leben ist ein Geschenk"

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Die Geburt eines Kindes scheint das natürlichste Ereignis auf Erden zu sein. In diesem so selbstverständlichen Geschehen drückt sich ein Grundgesetz des Lebens aus. Die Einmaligkeit dieses Vorganges wird jedem davon unmittelbar Berührten bewußt. Es ist immer wieder Individualität, imer wieder Wunder, immer wieder Geschenk Gottes.

Bei der Geburt eines Kindes wird jener Grenzgang zwischen dem Begreifbaren und dem Unbegreiflichen hinein in das Unfaßbare beschritten. Dort, wo wir schweigen müssen, wo wir annehmen und danken. Es ist ein Erahnen jener Dimension, wo Tod und Leben in ihrer Radikalität einander aufheben. So wird die Begegnung mit dem Leben gleichzeitig zu einer Herausforderung unseres Denkens über den Tod.

Das Erlebnis Leben ermöglicht und geschenkt zu haben, läßt die eigene Enge durchbrechen und in der Hinwendung zu diesem Du über sich selbst hinauswachsen. Es werden „Wurzeln" geschlagen, die ausstrahlen, wo immer der einzelne steht.

Kahlil Gibran, ein arabischer Denker, sagt: „Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Es sind die Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber. Sie kommen durch euch, doch nicht von euch. Und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht"

Jetzt sind wir aber aufgerufen, für dieses Leben da zu sein — einfach da sein. Grunderfahrungen eines Urvertrauens, das hier grundgelegt wird, werden möglich. Sie sind für das weitere Leben, für die Glaubens- und Liebesfähigkeit dieses Menschen bestimmend.

Das bedeutet für uns, daß wir das Kind annehmen in seinem Lächeln wie in seinem Weinen. Wir müssen offen sein für diese Unbefangenheit und bereit sein für die Unmittelbarkeit des Gebens und des Nehmens.

Wieviel Wände und Grenzen haben Erwachsene untereinander aufgerichtet, so daß sie oft nicht mehr fähig sind, die Zuwendung des anderen annehmen zu können. Ein hilfloses Kind wird so zu einer Quelle von Kraft gegen die Verdrossenheit der Erwachsenen. Es läßt uns unsere eigene Schwerfälligkeit überwinden. Unser Verhalten der Umwelt gegenüber erfährt dadurch eine Ordnung der Dinge im Hinblick auf das Wesentliche im Miteinanderleben.

Unter dem Blickpunkt des An-nehmens des Kindes, des Sich-ihm-Zuwendens, wird dieses zwischenmenschliche Gefüge von Egoismus und mißverstandenen Selbstverwirklichungsbestrebungen entlastet. Dieser Gedanke birgt so viel Hoffnung in sich.

Lassen wir uns herausfordern, Hoffnung für unsere Kinder und auch für andere zu leben! Nicht mehr durch lautes Verkünden von revolutionären Ideen werden wir die Welt verändern, sondern durch die Hinwendung zum anderen; in der Umkehr zum Kind, wenn Unbefangenheit, Vertrauen und Liebe das Miteinanderleben bestimmen. Im bewußten Sehen dieser möglichen Lebenshaltung wird Hoffnung lebendig.

Mag. Gertraud Herzog ist Hausfrau in Graz.

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