6908194-1980_51_10.jpg
Digital In Arbeit

Lebende und Tote

Werbung
Werbung
Werbung

In Philosophie und Dichtung bis herab zur Unterhaltungsliteratur wird heute viel um den Tod spekuliert, in mehr oder weniger ernst zu nehmender Weise. So erscheint die „Geschichte des Todes" von Philippe Aries zeit- und marktgerecht. Was dieses Buch aber auszeichnet und zu einem nahezu einzigartigen macht, besteht darin, daß es hart an den Tatsachen bleibt.

Aries breitet ein enormes Material aus und die Dokumente, die er bringt, sprechen für sich, fast möchte man meinen, sie sagen mehr als geistvolle Spekulation. In ihnen spiegeln sich Lebensauffassungen und Kulturen, vom 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart (selbstverständlich mit Verweisen auf die Antike): Arten zu sterben, Bräuche um Tote und Begräbnis, Friedhofskulte, oft erschreckend voll Banalität und Gefühllosigkeit, oft erhebend um die i Würde der Sterbenden besorgt, was sich zwischen Sterbebett und Friedhof ereignete, vom bewußten Sterben, das den Tod annahm und ihn daher oft genau bestimmen konnte, bis zum unbewußten Sterben wollen, das den Gedanken an den Tod verdrängt, wie es heute von Amerika herüberkommt.

Alles wird belegt, und die Beschreibung allein verfehlt nicht ihren Eindruck und wird gerade dadurch höchst aktualisiert, wie jener zitierte Satz von Giraud: jedes Individuum, das die Toten nicht achtet, ist im Begriff, die Lebenden zu ermorden.

GESCHICHTE DES TODES. Von Philippe Aries, Carl-Hanser-Verlag, München-Wien 1980, 821 Seiten, öS 531,30.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung