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Leierkasten

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Warum verachtet man den .Leierkasten? Solch ehrliche Wesen, wie er es ist, sind heute rar. Bescheiden, unkompliziert. Er schenkt Musik, ohne den Anspruch zu erheben, Musik zu machen. Er spielt bekannte und beliebte Melodien und spielt nicht den Individualisten. Er gibt das wieder, was man in ihn hineingelegt hat und verbirgt nicht, daß er nach dem Willen dessen spielt, der die Kurbel dreht.

Er täuscht nicht vor, etwas Neues erfunden zu haben, macht keine Revolutionen in der Kunst, Pop-, Op-Hop- oder Tropmusik ist nicht seine Sache. So gut er kann, wiederholt er zeit seines Lebens dasselbe, ob es idyllische sentimentale Schlager oder revolutionäre Lieder sind. Denn seine Tugend ist Treue. Der Leierkasten ist wie Mönch-Prediger oder wie ein kleiner Parteifunktionär, der nicht unbedingt die ganze Heilige Schrift beziehungsweise äas ganze Programm der Partei kennen muß. Er glaubt, daß diejenigen, die die Kurbel drehen, Bescheid wissen.

Der Leierkasten ist nicht mehr modern, die Kurbeldreher schämen sich seiner, verkleiden ihn als Schallplatte, Tonband oder Kassette, die gar nicht mehr bescheiden sind und tun, als ob sie keine Leierkästen wären. Sie sind es aber, denn ohne Leierkästen, egal in welcher Form, geht es nicht. Ohne Leierkästen, deren Tugend die Treue ist, könnten die Kurbeldreher nichts anfangen.

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