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Leitfigur einer Epoche

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Sie wurde achtzehnjahrig, mit einer Korpergrobe von knapp, 1,50 Meter Konigin. Victoria (1819 bis 1901). benannt nach der jungfraulichen romischen Siegesgottin, Herrscherin wahrend sechs Jahrzehnten, steht, zunehmend ubergeswichtig und koperlich leidend, fur die Krankheit einer Epoche, der sie den Namen gab.

Von der Verbindung zwischen Person und Periode, Psyche und Kultur ist in der jüngst veröffentlichten Biographie des Amerikaners Stanley Weintraub freilich wenig spürbar. Die durchaus nuancierten Beobachtungen des königlichen Lebens, aus Briefwechsel und Tagebuchaufzeichnungen Victorias mit erhoben, offenbaren allenfalls die glanzvolle Selbstinszenierung des Zeitalters, wie sie in der Errichtung des Londoner Kristallpalastes zum Ausdruck gelangt, nicht aber dessen von Charles Dickens tief empfundene Niederungen.

Steht Victorias Ägide im Inneren des Imperiums für namenloses Arbeiterelend und nationale Unterdrückung, so ist sie im Äußeren bestimmt von Eroberungskriegen gegen China und Afghanistan, von Machterhaltung in Afrika und Indien, dessen Kaiserin sie 1876 wurde. Daß die Herrscherin noch im Alter von einundachtzig Jahren, kurz vor ihrem Tode, die Kriegsfackel gegen unbotmäßige Buren schleuderte, wird von Weintraub ebenso vernachlässigt wie das Aufkommen ästhetisch-sozialer Heilungsperspektiven.

QUEEN VICTORIA. EINE BIOGRAPHIE. Von Stanley Weintraub. Aus dem Amerikanischen von Christa Broermann und Wiebke Schmaltz. Benziger Verlag, Zürich 1987. 578 Seiten, Ln., öS 374,40.

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