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Liebe Böhmen, Mährer und Schlesier

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Laßt Euch von Sprachwissenschaftlern kein Ei legen. Laßt Euch durch ein anderes Ei, das nicht erst jetzt gelegt wurde, nicht verunsichern. Nämlich durch das Tschech--Ei. Eure Kapazitäten haben uns für Euer schönes Land die im Deutschen scheußlich klingende Kurzformel „Tschechien” empfohlen. Und wir - ich Sprech' nicht nur von der FURCHE - gebrauchen es immer häufiger.

Vor kurzem glaubte mich der Pressereferent Eurer Wiener Vertretung, Botschaftssekretär Pavel Stohr, darauf aufmerksam machen zu müssen, daß der richtige Name Eures neuen selbständigen Staates in der deutschen Sprache „Tschechische Republik” oder „Tschechien” oder „CR” ist. Dies deswegen, weil die FURCHE neben diesen Bezeichnungen auch das hierzulande häufig gebrauchte „Tschechei” verwendet hat. Ein Briefwechsel via Fax hat klargestellt: „Es gibt kein Gesetz und keine Note, die irgendeine Regelung des Namens Tschechiens den deutschsprachigen Ländern vorschreiben würde.”

Mit der Vermutung, daß wir Euch Böhmen, Mährer und Schlesier mit „Tschechei” beleidigen wollten, liegt Botschaftssekretär Stohr völlig falsch. Wir sind übrigens nicht die einzige Zeitung in Österreich, die „Tschechei” - unbekümmert, weil allgemein gebräuchlich - benützt. Denn kein Wiener, kein Österreicher will beleidigen, wenn er sagt, daß er „in die Tschechei” fährt, selbst wenn er sich nach Mähren begibt. Daß „Tschechei” in Euren Ohren häßlich klingt - die FURCHE hat sich als eine der ersten unter Österreichs Zeitungen mit der Frage des Staatsnamens beschäftigt (FURCHE 38/1992) - wird Anlaß sein, diesen Begriff immer weniger zu gebrauchen.

Also, halten wir' s mit Eurem Außenminister Josef Zieleniec: „Ich glaube, daß das Problem des Staatsnamens etwas überschätzt wird, im Prinzip können wir - wie viele andere Länder auch - mehrere Namen verwenden, einen offiziellen, einen halboffiziellen, einen gebräuchlichen und so weiter.” Nichts anderes hat DIE FURCHE getan. An einem Ei sollte unsere Freundschaft nicht zerbrechen.

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