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Literarisches Kaleidoskop

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„Fährten“ nennt sich eine von Paul Wimmer herausgegebene Anthologie neuer österreichischer Dichtung, die aus Anlaß des 25jährigen Bestandes des österreichischen Schriftstellerverbandes in der österreichischen Verlagsanstalt in Wien erschienen ist. Wer sich je auf dem Gebiet von Anthologien und Sammelwerken versuchte, kennt die vielfachen Schwierigkeiten und Tücken, mit denen ein solches Vorhaben von vornherein umgeben ist. Hier war der Umfang der Auswahl von Anfang an begrenzt, da sie nur Arbeiten von Mitgliedern des österreichischen Schriftstellerverbandes und vorwiegend der Lebenden umfassen sollte.

Ein vollständiges Bild des literarischen Schaffens in Österreich zu bieten, konnte also keineswegs in der Absicht und unter den Möglichkeiten des Herausgebers liegen. Was er aber versuchen konnte, und was ihm auch uneingeschränkt gelungen ist, war, ein möglichst buntes und vielfach facettiertes Bild der österreichischen Dichtung zu geben, das Situationen aufzeigt und den Bogen vielfacher Ausdrucksmöglichkeiten in Prosa und Gedicht über Generationen hinweg bis in die jüngere Gegenwart umfaßt.

Er spannt sich hier in chronologischer Abfolge von dem erst im Vorjahr verstorbenen, 1882 geborenen Max Meli in schöner Natürlichkeit bis zu Edda Steinwender, die als Jahrgang 1939 die letzte Vorkriegsgeneration vertritt, und überwölbt die vielfältige seelische Landschaft von nahezu 60 Autoren, denen das Christliche und Humane im Zentrum ihres Schaffens stand oder steht.

Der schwierigen Aufgabe der Auswahl der einzelnen Werke hat sich der Herausgeber mit bemerkenswertem Takt und erstaunlicher Einfühlung unterzogen. Nicht nur, daß für jeden Autor jeweils besonders kennzeichnende Werke stehen, durch die ganze Sammlung scheint sich ein roter Faden der Zusammenge-stimmtheit, eine concordia discors, zu ziehen, die den sicheren Griff und das behutsame Abwägen auf das schönste bestätigt. Dabei werden viele der Beiträge zum erstenmal veröffentlicht und sind — wie sich an Hand des ausführlichen Autorenregisters und des Quellennachweises feststellen läßt — ebenso vielen längst vergriffenen Büchern oder kaum noch oder nur schwer erreichbaren Zeitschriften entnommen, was dieser Anthologie noch den zusätzlichen Wert einer echten Dokumentation sichert.

Wie sich die Situation der österreichischen Dichtung in diesem komprimierten Längsschnitt darstellt, kann leider nicht Gegenstand dieses Berichtes sein, da die selbst gesetzten Grenzen zwar nicht die Gewichte, aber doch die Schwerpunkte verschieben. Paul Wimmer ist im eigenen Bereich ihren vielfältigen „Fährten“ nachgegangen und hat mit seiner Anthologie ein Werk geschaffen, das für längere Zeit Gültigkeit bewahren wird, wohl das Beste und Schönste, was sich über ein solches Unternehmen sagen läßt.

FÄHRTEN. Eine Anthologie neuer österreichischer Dichtung. Im Auftrag des österreichischen Schriftstellerverbandes herausgegeben von Paul W immer. österreichische Verlagsanstalt Wien. 236 Seiten.

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